Zwei Cembalostücke | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

François Couperin

Zwei Cembalostücke

Zwei Cembalostücke

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer:

Satzbezeichnung

Les baricades mistérieuses
La tic-toc-choc ou les maillotins

Seit dem Jahr 1888 gehören die Cembalostücke von François Couperin zum Repertoire der Pianisten in Deutschland. Damals nämlich legten Johannes Brahms und der Hamburger Händelforscher Friedrich Chrysander ihre kritische Neuausgabe der „vier Bücher Klavierwerke“ des großen Franzosen vor. Chrysander schrieb dazu im Vorwort folgendes: „François Couperin ist der erste große Klaviercomponist, den die Musikgeschichte kennt. Die berühmten Meister, welche ihm vorangingen – Merulo, Frescobaldi und viele andere – wandten ihre Kunst ebenso sehr an die Orgel, als an das Harpsichord. [Da damals in Deutschland keine Cembali gespielt wurden, griff Chrysander auf das englische Wort für das Instrument zurück!] Couperin dagegen schrieb ausschließlich für das Klavier, obwohl er ebenfalls Organist war. Er steht daher an der Spitze der modernen Zeit und ist als der Bahnbrecher einer neuen Kunst anzusehen. Seine jüngeren Zeitgenossen und zum Theil seine Schüler waren Scarlatti, Händel und Bach.“

Man darf vermuten, dass Johannes Brahms als Mitherausgeber und exzellenter Kenner der Musikgeschichte diese Sätze mit einem Stirnrunzeln las. Denn zum einen war weder Domenico Scarlatti noch Bach oder Händel ein Schüler Couperins. Nur Bach kopierte Cembalowerke des großen Franzosen, den er bewunderte. Zum anderen darf man die Cembalostücke, die François Couperin in vier Büchern herausgab, nicht etwa als den Anfang, sondern vielmehr als den Höhepunkt der französischen Clavecin-Musik ansehen. Man denke nur an die vielen Cembalisten in seiner eigenen Familie, die „François le Grand“ vorausgingen. Die extreme Verfeinerung im Klanglichen, in den Verzierungen und in der Tonmalerei, die Couperin an den Tag legte, war das Ergebnis einer langen Entwicklung, nicht ein Anfang.

Noch ein drittes muss gesagt werden: Es handelt sich um Musik für das Clavecin, das Cembalo. Nie und nimmer hätte sich Couperin träumen lassen, dass seine Stücke einmal auf einem dreimal so lauten, in zwölf gleichen Halbtönen gestimmten Flügel gespielt würden, der nicht mit Federkielen die Saiten anreißt, sondern mit Hämmern von ungeheurem Gewicht auf stark gespannte Stahlsaiten einschlägt. All das wäre ihm unpoetisch und fremd vorgekommen. Bach und Händel haben in ihren letzten Lebensjahren immerhin noch Hammerflügel kennen gelernt, die zarten Vorläufer unserer heutigen Klaviere.

Wenn es einen Komponisten in der Geschichte des Cembalos gegeben hat, der die Klangpoesie dieses Instruments in all ihren Nuancen ausgelotet hat, dann war es François Couperin. Das zeigen die beiden Stücke unseres Programms in aller Deutlichkeit: Les Baricades Mistérieuses von 1717 bewegen sich durchweg im tiefen Register, in so wundersam gebrochenen Dreiklängen, dass man tatsächlich eine „geheimnisvolle Barrikade“ vor sich zu sehen glaubt. Le Tic-Toc-Choc von 1722 ist ein Stück ausdrücklich für zweimanualiges Cembalo. Da unser moderner Flügel nur eine Tastatur aufweist, nicht zwei, muss man Couperins Anweisung folgen, entweder die rechte Hand eine Oktav höher oder die linke Hand eine Oktav tiefer zu spielen. Rechts hören wir „klimpernde“ Sechzehntel, links Dreiklänge in gehenden Achteln. Der zweite Titel Les Maillotins liefert den Schlüssel zum Verständnis. Dabei handelt es sich um eine Verkleinerungsform für das Wort „le maillet“, der Holzhammer. Couperin lässt hier also „Hämmerchen“ erklingen, die mit ihrem „Tick-Tack“ auf die Saiten einschlagen – ein sehr passendes Bild für den Steinway-Flügel. Ob Couperin doch schon etwas von den modernen Hammerflügeln aus Italien gehört hatte und die neue Mechanik in diesem Stück verspottete?