Pièces de viole | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Jean-Baptiste Antoine Forqueray

Pièces de viole

Pièces de viole

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer:

Satzbezeichnung

Allemande
La Girouette

Erläuterung

Forqueray – Vater oder Sohn?

„Der eine spielt wie ein Engel, der andere wie ein Teufel.“ So klar unterschieden die Pariser zwischen ihren beiden genialsten Gambisten: Marin Marais und Antoine Forqueray. Beide waren geborene Pariser, Forqueray allerdings 16 Jahre jünger als der berühmtere Marais, was zur Folge hatte, dass er sich deutlicher dem italienischen Stil öffnen konnte, was für den Kollegen am Hof des strengen Sonnenkönigs unmöglich war. Forqueray dagegen diente „Monsieur“. So nannte man bei Hofe den Bruder des Königs, Philipp von Orléans. Dieser ist für drei Dinge in der französischen Geschichte berühmt, um nicht zu sagen berüchtigt: Erstens war er der Führer der von seinem Bruder verachteten „schwulen“ Fraktion bei Hofe, zweitens war er mit Liselotte von der Pfalz verheiratet, mit der er trotz seiner sexuellen Vorlieben mehrere Kinder zeugte, darunter den jüngeren Philippe von Orléans, der nach dem Tod Ludwigs XIV. für dessen unmündigen Urenkel Ludwig XV. die Regentschaft übernahm und damit die lebenslustige Epoche der „Régence“ prägte. Drittens öffnete der Vater des „Regenten“ dem italienischen Stil in der französischen Musik Tür und Tor. In seinem Schloss Saint-Cloud ließ er sich italienische Musik vortragen von eigens aus Italien herbei geholten Kastraten, italienische Sonaten und Concerti wurden aufgeführt – beim königlichen Bruder in Versailles wäre dies undenkbar gewesen.

In diesem italophilen Klima spielte Forqueray die Gambe. In seinen ebenso fantastischen wie bizarren Gambenstücken ist der italienische Einfluss nicht zu überhören. Freilich haben sich fast alle diese Stücke primär in Cembalobearbeitungen seines Sohnes erhalten, weshalb bis heute unklar ist, welche der Stücke von ihm, welche vom Sohn stammen. Angeblich nur drei Gambenstücke aus der Sammlung des Vaters hat der Sohn komponiert – kein Wunder, besaß der ältere Forqueray doch die Liebenswürdigkeit, seinen Sohn aus Neid auf dessen zu große Begabung erst ins Gefängnis sperren und dann vom Regenten höchstpersönlich aus Frankreich ausweisen zu lassen. Dem jüngeren Forqueray gelang es dennoch, nach Paris zurückzukehren, aus dem Schatten des Vaters herauszutreten und ihn bis 1740 bei weitem zu überflügeln.

Der jüngere Forqueray war es, der als Gambist an der Uraufführung der Nouveaux Quatuors von Telemann mitwirkte und diese immer wieder erfolgreich aufgeführt hat. Später unterrichtete er den Neffen Friedrichs des Großen, den späteren König Friedrich Wilhelm II., in einer Art Fernstudium auf der Gambe. Wäre er der Einladung des preußischen Kronprinzen nach Berlin gefolgt, hätte sich Letzterer nicht zu einem fähigen Cellisten entwickelt, für den später Haydn und Mozart Streichquartette mit virtuosen Cellopart komponieren sollten, sondern zum Gambenvirtuosen!

Die beiden Stücke unseres Programms, eine Allemande und das Rondeau La Girouette, haben unsere Interpreten zwar dem Sohn Forqueray zugeschrieben. Sie wurden aber 1905 von dem großen französischen Barockforscher de la Laurency als Werke des Vaters herausgegeben. Als solche werden sie heute meistens gespielt.