Sonate d-Moll, HWV 386c (nach der Triosonate, op. 2, 1)
Werkverzeichnisnummer:
Cantabile
Allegro
Andante
Allegro
Als Georg Friedrich Händel Ende 1710 zum ersten Mal seinen Fuß auf englischen Boden setzte, begann er sofort mit der musikalischen Eroberung des Inselreichs unter den Auspizien des italienischen Stils. Er „kam, sah und siegte“, wie einst Julius Caesar. Dabei interessierten sich die Engländer für ihn nicht etwa, weil er Deutscher war, weil er in Halle eine gründliche Ausbildung zum Kirchenmusiker absolviert und in Hamburg seine ersten Opern auf Deutsch vorgestellt hatte. Sie luden ihn ein, weil er sich in Italien zum Meister der Opera seria und des italienischen Stils entwickelt hatte.
Von Ende 1706 bis Ende 1708 lebte Händel vorwiegend in Rom, im Palazzo des unvorstellbar reichen Marchese Ruspoli. Dort sowie in den Palästen der Kurienkardinäle musizierte der blutjunge „Sachse“ mit Arcangelo Corelli und Alessandro Scarlatti, studierte die Triosonaten des Ersteren und die Oratorien des Letzteren. Bald schon feierte er mit katholischer Kirchenmusik, italienischen Kantaten und eigenen Oratorien sensationelle Erfolge. In Neapel, Venedig und Florenz konnte er sich in aller Ruhe mit den ungeschriebenen Gesetzen der italienischen Oper vertraut machen. In allen diesen Musikzentren, besonders in Rom, lernte er, für die besten Kastraten und Primadonnen der Epoche zu schreiben. Der Sensationserfolg seiner venezianischen Oper Agrippina – quasi die “Greatest Hits” seiner italienischen Jahre – sprach sich bis nach London durch, wo die italienischen Oper noch in den Kinderschuhen steckte. Kaum aber hatte Händel das königliche Opernhaus am Londoner Haymarket betreten, schon war das Schicksal dieser Gattung an der Themse entschieden: Sein Rinaldo genügte, um die italienische Oper ein für allemal in London zu etablieren.
Neben den Opern der frühen Londoner Jahre wie Teseo oder Amadigi hat Händel sich auch in vielen anderen Musikgattungen in London präsentiert: mit englischer Kirchenmusik und höfischen Oden, mit Suiten wie der Wassermusik und Concerti. Damals schrieb er auch seine sechs Triosonaten, die er nach 1720 als Opus 2 veröffentlichte. Etliche Sätze dieser Werke sind freilich schon viel früher entstanden. Die beiden langsamen Sätze der Triosonate Opus 2 Nr. 1, die in unserem Konzert erklingt, gehen auf eine römische Kantate und eine Arie aus dem Oratorium Il trionfo del Tempo zurück. Die schnellen Sätze zehren ebenfalls von melodischen Einfällen aus der römischen Zeit, ihre meisterliche Entwicklung zeigt aber die Fortschritte, die Händel in London gemacht hat. Die Sonate ist in zwei Fassungen überliefert, in c-Moll für zwei Violinen und in h-Moll für Traversflöte und Violine, jeweils mit Continuo. Unsere Interpreten haben die h-Moll-Fassung eine kleine Terz nach oben transponiert, um sie auf der Altblockflöte spielbar zu machen, wie es damals üblich war.