Sarabanda aus der Violinsonate op. 5,7 mit anonymen Variationen für Blockflöte und B.c. (Durham Ground)
Werkverzeichnisnummer:
Preludio
Corrente
Sarabanda
Giga
Engelssonate für Berlin
Im Advent 1699 hatte Arcangelo Corelli alle Hände voll zu tun: Er überwachte den Erstdruck seiner Violinsonaten Opus 5, die in Rom in einer wunderschönen Ausgabe mit prachtvollem Titelkupfer erscheinen sollten. Denn er wollte sie keiner Geringeren als Kurfürstin Sophie Charlotte von Brandenburg widmen, der späteren ersten Königin in Preußen. An Weihnachten fehlte noch immer die italienische Widmung an die Kurfürstin, die Corelli im Geist des Festes niederschrieb und am 1. Januar 1700 unterzeichnete:
„Die schöne und große Seele Ihrer Kurfürstlichen Hoheit, die vom Himmel so gut zusammengefügt und als Musterbeispiel einer vollkommenen Heldin entworfen wurde, trägt das Geschenk der Harmonie ganz in sich. Es konnte nicht fehlen, dass zum Konzert so zahlreicher Tugenden auch das süße Genie der Musik hinzukam, und da sich Ihre Kurfürstliche Hoheit derselben mehr im Studium als bloß zum Zeitvertreib widmet, hat sie auch von derselben eine fundierte und wissenschaftliche Kenntnis.“ An diese hohe Kennerschaft appellierte Corelli mit seinen zwölf Violinsonaten. Sie waren so erfolgreich, dass sie noch von den italienischen Geigern des 19. Jahrhunderts als Grundlage des Violinunterrichts verwendet wurden – ein wahrhaft epochaler Zyklus.
Zum Dank hängte die Kurfürstin in ihrem Schloss Charlottenburg ein Porträt Corellis auf, das man noch heute dort bewundern kann. Der Geiger aus Fusignano bei Ravenna hat Berlin nie gesehen und ist dennoch dort präsent. Seine einzigen Reisen führten ihn aus seiner Heimat in der Romagna nach Bologna, wo er studierte, und schließlich mit 22 Jahren nach Rom, wo er für den Rest seines Lebens bleiben und in die höchsten Kreise der Gesellschaft aufsteigen sollte. Nach seinem Tod 1713 wurde er im Pantheon beigesetzt, unweit vom Maler Raffael und genau unter einem Fresko der Anbetung der Hirten. Denn Corellis berühmtestes Werk ist bis heute sein Weihnachtskonzert.
Ob sich auch in den Violinsonaten Opus 5 weihnachtliche Motive verbergen, steht dahin. Freilich lassen sie an eine besonders schöne Legende aus der Kindheitsgeschichte Jesu denken: Auf der Flucht nach Ägypten legte die Heilige Familie eine Rast ein. Die Muttergottes schlief mit dem Jesuskind im Arm ein, während ein Engel vom Himmel herabschwebte und die schönste Musik machte. Für sämtliche Barockmaler von Caravaggio bis Tiepolo war es selbstverständlich, dass der Engel Geige spielte.
An dieses Bild darf man denken, wenn unser Geiger Jonas Tschenderlein die Sonate d-Moll Opus 5 Nr. 7 von Corelli spielt: Sie beginnt ausnahmsweise nicht mit einem Adagio, sondern mit einem schnellen Preludio: Der Hl. Joseph hört aus dem Himmel schönes Geigenspiel zur Erde dringen. In der folgenden Corrente fliegt der Engel schwungvoll vom Himmel herunter – natürlich im Dreiertakt und in rasend schnellem Tempo. Danach baut er sich vor Mutter und Kind auf und spielt sein Schlaflied, eine sehr ruhige Sarabanda. Zum Abschluss fliegt er wieder davon mit rauschenden Flügeln, wie die abschließende Giga erkennen lässt. Selbstverständlich ist diese Deutung nur eine von vielen Möglichkeiten, diese schöne Sonate zu verstehen.
Sarabanda
Obwohl Arcangelo Corelli aus dem Provinzstädtchen Fusignano bei Ravenna stammte, hat er es im großen Rom zu Weltruhm gebracht. Dort lebte er als vornehmer Gast in den Palazzi der Königin Christina von Schweden und der Kurienkardinäle. Von der ersten Geige aus leitete er fast alle Aufführungen, bei denen in Rom Orchester benötigt wurden: Oratorien, Serenaden im Freien, Vespern in den Kirchen Roms und die wöchentlichen Akademien im Palazzo della Cancelleria, wo er als Gast des päpstlichen Vizekanzlers, Kardinal Ottoboni, mehr residierte als wohnte. Seine private Kunstsammlung umfasste allein 143 Gemälde! Corelli war alles in einem: Orchestermanager und Konzertmeister, Geigenprofessor des Streichernachwuchses und selbst ein gefeierter Solist. Vor allem schuf er durch seine Kompositionen – 48 Triosonaten, 12 Violinsonaten und 12 Concerti grossi – die Musterbeispiele dieser drei Genres des italienischen Stils, und zwar in ihrer sublimen römischen Ausprägung im Gegensatz zum quirligen Stil des Venezianers Vivaldi.
Noch lange nach seinem Tod 1713 blieb sein Nimbus ungebrochen, vor allem im konservativen England, wo man die vornehme Schlichtheit und edle Größe seiner Musik immer noch schätzte, als längst schon die Musik des galanten Stils Europa beherrschte. Dies belegen nicht nur die zahlreichen Londoner Nachdrucke seiner Solo- und Triosonaten, sondern auch etliche Handschriften in englischen Sammlungen. Im nordenglischen Durham findet sich die hier gespielte Variationenfolge über die Sarabanda aus Corellis Violinsonate Opus 5 Nr. 7. Von wem sie stammt, ist leider nicht bekannt.