für Violoncello und Akkordeon
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Toshio Hosokawa ist der bekannteste zeitgenössische Komponist aus Japan, er war jahrelang Mainzer, seine Werke werden bei Schott Musik International in Mainz verlegt. Dies sind nur drei Gründe, warum ihn die Villa Musica eingeladen hat, den heutigen Konzertabend zu gestalten. Hosokawa hatte „carte blanche“ für die Auswahl eigener Werke wie für Stichproben aus dem reichen Fundus der Moderne. Er hat sich für ein Werk seines Lehrers Isang Yun entschieden, für ein Duo der Japanerin Noriko Miura und für die Drei Stücke Opus 11 von Anton Webern. Letztere wurden vor 100 Jahren komponiert, wenige Wochen vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs, und sind zehn Jahre später in Mainz uraufgeführt worden.
Toshio Hosokawa ist nicht der einzige „Composer“ im heutigen „Concert“. Mit ihm präsentieren sich zwei junge Komponistinnen, die im Herrenhaus Edenkoben bestens bekannt sind: Beide haben hier für jeweils ein halbes Jahr eine zweite Heimat gefunden. Birke J. Bertelsmeier war im ersten Halbjahr 2012 Stipendiatin des Herrenhauses, Ying Wang folgte ihr in der zweiten Jahreshälfte. Damals begannen sie, jene Werke zu schreiben, die heute Abend uraufgeführt werden. Alexander Hülshoff, der Künstlerische Leiter der Villa Musica, und Konrad Stahl, künstlerischer Kopf und Seele des Herrenhauses, konnten eine langfristige Zusammenarbeit verabreden: Beginnend mit dem heutigen Konzert werden regelmäßig neue Werke der Musikstipendiaten aus Edenkoben bei der Villa Musica einstudiert und uraufgeführt.
Die Proben zum heutigen Programm fanden in der Akademie für Kammermusik der Villa Musica in Schloss Engers statt. Toshio Hosokawa und seine Kolleginnen haben mit jungen Musikerinnen und Musikern an den Werken gefeilt – mit einigen der besten und erfahrensten unserer Stipendiaten.
„Vergänglichkeit ist schön“, sagt Toshio Hosokawa: „Der Ton kommt aus dem Schweigen, er lebt, er geht ins Schweigen zurück.“ Diese unverwechselbare Klangphilosophie prägt auch das Duo für Violoncello und Akkordeon, das er 1994 komponiert und 1996 überarbeitet hat. Hosokawa nannte es In die Tiefe der Zeit. Beim Schottverlag steht dazu zu lesen: „Bei Toshio Hosokawa ist jeder Ton ein musikalisches Erlebnis. Ihm ist wichtig, sich tief in den Ton hinein zu versenken, ‚vertikal’ die ‚Landschaft’ eines bestimmten Klanges in all seinen Farben und Schattierungen zu ertasten. Ein Ton entsteht, wird intensiver und verschwindet, vergleichbar mit dem Rhythmus des Werdens und Vergehens in der Natur, dem Atmen der Lebewesen oder den Meereswellen. Der japanische Komponist verwebt auf beeindruckende Weise Musik und Natur ineinander … Für Hosokawa ist der Kompositionsprozess mit den Vorstellungen des Zen Buddhismus und dessen symbolhafter Deutung der Natur verbunden. Im Instrumentalstück In die Tiefe der Zeit (1994) repräsentiert das Cello das männliche, das Akkordeon das weibliche Prinzip. Jeder einzelne Ton hat Bedeutung. In seinen klanglichen Ausprägungen entzieht er sich der Stille und wird zum Bestandteil eines übergeordneten philosophischen Konzepts.“
In seinem Essay Un silenzio impetuoso („Eine heftige Stille“) hat Mateo Taibon die Musik Hosokawas folgendermaßen charakterisiert: „Wie durch eine verborgene Kraft vermag Toshio Hosokawas Musik in den Bann zu ziehen. Sie entsagt der rhetorischen Ausschmückung und der Virtuosität, häufig ist sie durch eine bemerkenswerte Zurückhaltung in der äußeren Dramatik gekennzeichnet, die innere Spannung hingegen ist außerordentlich. Ein stiller Impetus durchzieht seine Werke, man hat den Eindruck der größtmöglichen Intensität, der zwingenden Unausweichlichkeit. Die Möglichkeit anderer Wege, die im Laufe des Hörens sonst immer wieder im Raum stehen, denkt man bei Hosokawas Musik meist gar nicht an. Dies liegt an der Überzeugungskraft seiner spärlich gesetzten Gesten und Klänge, die – scheinbar metrumlos und außerhalb des musikalischen Zeitgefühls stehend – wegen ihrer zuweilen asketisch wirkenden (und doch ästhetisierend-sinnlichen) Sparsamkeit eine unaufdringliche Ausdruckskraft besitzen. Der Komponist selbst
hat sein Schaffen mit der japanischen Kalligraphie verglichen: Seine Musik ist eine Kalligraphie in Tönen.