Süßer Trost. mein Jesus kömmt, BWV 151
Werkverzeichnisnummer: 5151
Die innigste seiner Weihnachtskantaten schuf Bach 1725 auf einen Text des Darmstädter Hofpoeten Georg Christian Lehms: „Süßer Trost, mein Jesus kömmt“. Für sein drittes Leipziger Weihnachtsfest hatte er sich – wie später im Weihnachtsoratorium – einen Kantatenzyklus auf einheitlicher Textgrundlage vorgenommen. Dazu griff er auf die 1712 gedruckte Sammlung „Gottgefälliges Kirchen-Opffer“ des Darmstädter Hofdichters zurück. In diesem Zyklus bildet der Text zu BWV 151 die Nachmittags-Andacht auf den Dritten Weyhnacht-Feiertag. Bach vertonte diese Vorlage als wahrhaft andächtige Krippenmusik, und zwar für einen ganz außerwöhnlichen Knabensopran, der ihm an Weihnachten 1725 zur Verfügung stand. Außer der ersten Arie in BWV 151 hat er demselben Sänger auch die Sopranpartien der beiden Dialogkantaten BWV 57 und 32 auf den Leib geschrieben, außerdem die großen Sopranarien in den Kantaten BWV 28 und 72 sowie das Duett „Ehre sei Gott in der Höhe“ in BWV 110.
Die Sopranarie zu Beginn von BWV 151 zählt zu Bachs lieblichsten Weihnachtspastoralen, ein Stück von so zart schmelzendem Klang, dass sie jeden Zuhörer sofort bezaubert und im Geiste gleichsam vor die Krippe in Bethlehem führt. In sein kleines Orchester legte Bach hier die zartesten Pastoralklänge hinein, die ihm zu Gebote standen: Die Streicher und eine Oboe d’amore spielen in tiefer Lage eine Hirtenmusik im ruhig schwingenden Zwölfachteltakt und in der Pastoraltonart G-Dur. Darüber streut eine hohe Traversflöte ihre Fiorituren aus, die immer wieder in lange Haltetöne münden. Mitten hinein singt der Sopran die innigen Worte:
Süßer Trost, mein Jesus kömmt,
Jesus wird anitzt geboren.
Der Dialog zwischen dem ruhigen Gesang und den Ornamenten der Flöte ist an Anmut kaum zu übertreffen. Der Mittelteil lässt dagegen der Freude über die Geburt des Erlösers freien Lauf. Im munteren Tanzrhythmus einer Gavotte werfen Sopran und Flöte einander virtuose Triolen zu:
Herz und Seele freuet sich,
Denn mein liebster Gott hat mich
Nun zum Himmel auserkoren.
Die Weihnachtsfreude lässt auch den Bass im ersten Rezitativ förmlich jubilieren. Am Ende freilich lenkt der Sänger den Blick auf die Armut, in der das Jesuskind zur Welt kam. Sie ist das Thema der folgenden Altarie:
In Jesu Demut kann ich Trost,
In seiner Armut Reichtum finden.
Oboe d’amore und Violinen zeichnen die Demut Jesu in ihrem Thema nach, das sich in dauernden Verneigungen nach unten wendet. Dazu spielen die Bassinstrumente merkwürdige Staccato-Töne, eine Art „Volksmusik-Bass“, der im Laufe des Satzes immer härtere Dissonanzen annimmt – als Sinnbild für den „schlechten Stand“, in den Jesus hineingeboren wurde. Der Sänger löst das Thema in Zweierbindungen auf und folgt den seltsamen harmonischen Wendungen, bis er im Mittelteil versöhnlichere Töne anstimmt:
Mir macht desselben schlechter Stand
Nur lauter Heyl und Wohl bekannt.
Im zweiten Rezitativ dankt der Tenor dem „teuren Gottessohn“ dafür, dass er durch seine Menschwerdung die Pforten des Paradieses wieder aufgeschlossen habe. Nahtlos mündet diese Betrachtung in die letzte Strophe des Weihnachtsliedes Lobt Gott, ihr Christen, allzugleich:
Heut schleußt er wieder auf die Tür
Zum schönen Paradeis,
Der Cherub steht nicht mehr dafür,
Gott sei Lob, Ehr und Preis.
Karl Böhmer