Fantasie nach Porgy and Bess, arrangiert von Sergej Drabkin
Werkverzeichnisnummer: 4264
George Gershwin
Fantasie nach Porgy and Bess
Zu den eher unspektakulären musikalischen Ereignissen, die das Jahr 2007 mit sich brachte, gehörte der 70. Todestag am 11. Juli von George Gershwin. Wichtiger als so manche Neu-produktion seiner Musik, die aus diesem Anlass erschien, war das Ablaufen der urheberrechtlichen Sperrfrist von 70 Jahren auf seine Werke. Diese sind nun rechtlich frei – zumindest diejenigen, an denen er alleine beteiligt war.
Berühren sie dagegen Rechte Dritter, so bleibt die Rechtslage kompliziert. Genau dies ist bei seinem berühmtesten Bühnenwerk, der Oper Porgy and Bess, der Fall. Rechtzeitig haben die Erben dafür gesorgt, dass das Stück nicht mehr unter seinem Namen alleine firmieren darf, sondern unter dem kollektiven Autorennamen „The Gershwins“. Denn obwohl Ira Gershwin, sonst seines Bruders bevorzugter Textdichter, gerade zu diesem Stück kaum mehr beigetragen hat als eine Durchsicht des Librettos und ein paar Verse, reklamiert das amerikanische Urheberrecht Porgy and Bess ebenso für ihn wie für George. Glücklicherweise ist Ira erst 1983 verstorben. Folglich sichert das Label „The Gershwins“ die Rechteverwertung an dem Werk – und verzögert die längst überfällige kritische Sichtung und Neuausgabe dieses zentralen Stücks. Zu sichten gäbe es Vieles, ist die Bühnengeschichte des Porgy doch weitaus verworrener als die Geschichte, die man auf der Bühne zu sehen bekommt.
Als Sohn einer jüdisch-russischen Familie in einem Armenviertel von Manhattan aufgewachsen, hatte George Gersh-win keine allzu authentische Vorstellung vom Leben der Schwarzen im amerikanischen Süden, als er im Sommer 1934 daranging, eine „Neger-Oper“ zu schreiben.
Ursprünglich hatte er auch gar keine Oper aus dem Milieu der „African Americans“ im Sinn gehabt, sondern schlicht eine Jazz-oper. Sie sollte zunächst im jüdischen Osteuropa, denn im Schmelztiegel New York spielen. Erst im dritten Schritt näherte sich Gershwin dem Stoff aus dem schwarzen Süden Amerikas an.
Gershwins Eltern, Moishe Gershovitz und seine Frau Rosa Brushkin, waren russische Juden aus St. Petersburg. (Nach der Auswanderung änderten sie ihren Namen schrittweise von Gershvine in Gershvin, schließlich nach dem Vorbild ihres Sohnes in Gershwin.) Für George lag es nahe, sich seinem Traum von einer „Jazzoper“ zuerst im eigenen, jüdischen Milieu zu nähern. Mit der Metropolitan Opera seiner Heimatstadt schloss er einen Vertrag für eine Oper über die mystische Welt der osteuropäischen Juden, die geistige Heimat seiner Eltern: The Dybbuk. Wären die Rechte an dem Buch damals nicht schon vergeben gewesen, wir hätten heute statt Porgy and Bess eine Gershwin-Oper mit
jüdischem Inhalt.
Nach dem Scheitern des Dybbuk-Projekts machte er sich auf die Suche nach Alternativen und wandte sich – kaum verwunderlich – seiner Metropole New York zu. Doch auch die geplante „melting pott opera“, eine Oper über den Schmelztiegel New York, kam nicht zustande. 1926 aber las Gershwin den Roman Porgy des Südstaaten-Autors Du Bose-Heyward und machte ihm sofort das Angebot, das Buch in eine Oper zu verwandeln. Heyward stimmte zu, doch zogen sich die Vorbereitungen bis 1933 hin.
Da George im Straßendschungel New Yorks keinen Begriff vom Leben der Schwarzen im amerikanischen Süden bekam, nistete er sich im Sommer 1934 für einige Wochen auf Folly Island bei Charleston, South Carolina, ein, wo die Handlung der Oper spielt. Er wollte sich vom Leben, der Sprache und der Musik der Schwarzen in der Südstaatenmetropole inspirieren lassen. Dabei kam ihm eine Gruppe von „Gullah“ zuhilfe, Schwarze, die auf einer Nachbarinsel nach afrikanischen Bräuchen lebten. Von ihrer Musik ließ sich Gershwin zu vielen Nummern seiner „folk opera“ anregen. Gerade die Welthits der Oper wie Summertime, It ain’t necessarily so und I got plenty o‘ nuttin‘ zeugen von diesem Einfluss.
Zur Uraufführung kam Porgy and Bess dann im Oktober 1935 nicht an der Met, weil es dort kein Ensemble aus farbigen Sängern gegeben hätte, sondern in der Theatre Guild. Obwohl die Produktion 124 Aufführungen erlebte, waren die New Yorker von dieser Mischung
zwischen „Oper, Operette und bloßem Broadway Entertainment“ anfangs nicht restlos überzeugt. Erst nach Gershwins Tod setzte sich das Werk an den Bühnen durch.
Im Konzertsaal wurde es weniger durch Gershwins eigene Porgy and Bess-Suite populär, deren Noten erst 1958 wieder auftauchten, als vielmehr durch ein Symphonic Picture von Bennett. An diesen Vorlagen orientierte sich auch der Geiger Sergej Drabkin in seiner Porgy and Bess-Fantasie.