Sonate für Violine und Klavier a-Moll, Werk ohne Opus 2
Werkverzeichnisnummer: 4263
1. Ziemlich langsam – lebhafteres Tempo
2. Intermezzo. Bewegt, doch nicht zu schnell
3. Scherzo. Lebhaft
4. Finale. Markiertes, ziemlich lebhaftes Tempo
Bis vor wenigen Jahren war Robert Schumann im Repertoire der romantischen Violinsonaten nur mit zwei Werken vertreten: der kürzeren a-Moll-Sonate Opus 105 und der großen d-Moll-Sonate Opus 121. Erst mit den Vorbereitungen zur neuen Schumannausgabe wurde deutlich, dass der Romantiker aus Zwickau noch eine dritte Violinsonate geschrieben hat, die aber zu seinen Lebzeiten nicht mehr im Druck erschien und darum auch keine Opuszahl trägt: die Sonate Nr. 3 in a-Moll. Obwohl sie bereits 1956 beim Schottverlag zum ersten Mal gedruckt wurde, hat man sie lange Zeit aus dem Schumann-Kanon ausgeschlossen. Erst die kritischen Neuausgaben der Jahre 2001 und 2007 erschlossen das Werk unwiderruflich der heutigen Aufführungspraxis. Das “Ensemble Villa Musica” hat die dritte Sonate denn auch selbstverständlich in seine Gesamteinspielung der Violinsonaten von Schumann aufgenommen.
Dass man dieses Werk so lange „übersehen“ hat, hängt mit seiner Entstehungsgeschichte zusammen. Es geht auf eine ungleich berühmtere Violinsonate zurück, die von drei Komponisten für einen jungen Geigerfreund geschrieben wurde: die F.A.E.-Sonate.
Zu den jungen Musikergenies, die im Düsseldorfer Haushalt der Schumanns aus und ein gingen, gehörte der ungarische Geiger Joseph Joachim, der seinerseits mit dem jungen Johannes Brahms befreundet war. Er empfahl seinem Hamburger Gefährten, sich auf einer Rheinreise im Herbst 1853 bei den Schumanns in Düsseldorf vorzustellen. Also klingelte am 30. September 1853 der blonde Jüngling aus Hamburg an der Tür des Künstlerehepaars. Robert und Clara waren sofort tief beeindruckt vom Genie des „Heiligen Johannes“. Der schöpferisch wie menschlich in eine Krise geratene Schumann gewann unter dem Einfluss des jungen Brahms neuen Elan. Gemeinsam ließen sich die Beiden durch einen neuerlichen Besuch Joseph Joachims zu einer Violinsonate inspirieren, bei der als Dritter im Bunde Albert Dietrich mitwirkte. Ihr Titel sagt schon fast alles über das bedeutende Werk aus:
F.A.E.
In Erwartung der Ankunft des
verehrten und geliebten
Freundes
Joseph Joachim
schrieben diese Sonate
Robert Schumann,
Albert Dietrich
und Johannes Brahms.
Bereits am 15. Oktober hatte Schumann in seinem Haushaltsbuch notiert: „Idee zu einer Sonate für Joachim“. Die “Idee” bestand im musikalischen Spiel mit einem Motto aus drei Tonbuchstaben, abgeleitet aus dem Lebensmotto des (damals noch) überzeugten Junggesellen Joachim: „frei, aber einsam“ – „f.a.e.“. Diese drei Töne legten sie den vier Sätzen der Sonate als Motto zugrunde. Dietrich komponierte den ersten Satz, Schumann den zweiten und vierten, also Adagio und Finale, Brahms das Scherzo. Während Letzteres das Motto nur anklingen lässt, verwendeten Dietrich und Schumann es in ihren Sätzen regelrecht als Thema.
Schumann ließ dieses Motto nicht mehr los. Bis 1. November 1853 stellte er seine eigene F.A.E.-Sonate zusammen: die dritte Violinsonate, bestehend aus seinen beiden Beiträgen zur Gemeinschaftskomposition, denen er einen hoch bedeutenden ersten Satz voranstellte und ein Scherzo hinzufügte. Sofort wurde diese neue Violinsonate an Joseph Joachim gesandt, der sich Ende November begeistert äußerte: „Das ist freilich ein anderes Ganzes“, womit er auf die doch eher uneinheitliche F.A.E.-Sonate anspielte. Ausdrücklich lobte er die „konzentriert energische Weise“, in der Schumann das Stück ergänzt hatte.
Besonders der nachgetragene erste Satz rechtfertigt dieses Lob. Als bedeutendes Zeugnis von Schumanns später Schaffensphase widerlegt er alle Vorurteile gegen die angeblich nachlassende Schöpferkraft des Komponisten. Vielmehr handelt es sich um einen „groß angelegten, vor dramatischer Spannung berstenden Sonatensatz mit einer gewichtigen Einleitung“ (Joachim Draheim). Schumanns Andante aus der F.A.E.-Sonate gibt sich dagegen weit unprätentiöser, ein „Lied ohne Worte“ von innigster Verwebung der beiden Instrumente. Darauf folgt ein „dämonisch aufrauschendes Scherzo (mit kapriziösem F-Dur-Mittelteil)“ (Draheim).
Der Finalsatz leidet wie manche späte Finali des Komponisten unter einer gewissen rhythmischen Eintönigkeit. Dennoch fand ihn Schumann bedeutend genug als Finale einer „großen Sonate“, als welche sich seine dritte Violinsonate entpuppte, als man sie endlich der Öffentlichkeit erschloss.