Sonate für Klarinette und Klavier | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Francis Poulenc

Sonate für Klarinette und Klavier

Sonate für Klarinette und Klavier

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 4259

Satzbezeichnungen

1. Allegretto

2. Romanza

3. Allegro con fuoco. Très animé

Erläuterungen

Francis Poulenc
Klarinettensonate (1962)

„Euer Werk ist krank, albern, eine infame Dummheit. Sie machen sich über mich lustig. Sie können mich mal! Ach ja, ich sehe schon: Sie marschieren mit Strawinsky, Satie und Kompanie, schönen Abend!“ Was ein gestrenger Professor des Pariser Konservatoriums dem jungen Francis Poulenc nach dessen allererster Uraufführung wütend ins Gesicht schleuderte, war eines der eklatantesten Fehlurteile der Musikgeschichte. Als Poulenc 1962, kurz vor seinem Tod, seine Klarinettensonate vollendete, dürfte er über diese frühen Anfeindungen gelacht haben. Denn der menschenfreundliche und humorvolle Komponist aus Paris tat wirklich alles andere, als „mit Strawinsky zu marschieren“.

Seine unverwechselbare, poetische Klangsprache gehört zu den reizvollsten im 20. Jahrhundert. Sein Freund Darius Milhaud hat sie treffend umschrieben: „Wird nach all den impressionistischen Nebeln nicht diese simple und klare Kunst, die so sehr an Scarlatti und Mozart erinnert, die nächste Phase unserer Musik sein?“ Milhaud sollte recht behalten. In der Kammermusik hat Poulenc einen völlig neuen Stil französischer Musik etabliert: kess, großstädtisch, mit leichtem Sentiment, immer an romantischer Harmonik orientiert und doch dezent modern. Seine Bläserwerke – Trio, Sextett und drei Sonaten für Flöte, Klarinette und Fagott – setzten Maßstäbe, die bis heute nachwirken. In ihnen reichen sich Romantik und Moderne, Neoklassizismus und französische Tradition die Hand.

„Poulenc kann die Kürze seiner Sonaten durch das Vorbild von Scarlatti und Haydn rechtfertigen,“ meinte der Dichter Jean Cocteau, ein weiterer enger Freund Poulencs. Alle Bläsersonaten des Komponisten verwenden das dreisätzige Muster Haydns und Mozarts, verzichten also auf einen vierten Satz und auf die ausladenden Sonatenformen von Brahms und Beethoven. Auch die Klarinettensonate beschränkt sich auf drei Sätze: ein Allegretto bzw. „trauriges Allegro“ (Allegro tristamente), eine Romanze (Romanza) und ein feuriges Finale (Allegro con fuoco). Der traurige Duktus der ersten Sätze – für den Humoristen Poulenc eher ungewöhnlich – erklärt sich aus der Entstehungszeit und dem Anlass des Werkes. Es handelt sich um Poulencs vorletztes Instrumentalwerk, das er nur wenige Monate vor seinem Tode vollendete. Er widmete es dem Andenken an seinen Freund Arthur Honegger, der 1955 in Paris gestorben war.

Keine Geringeren als Benny Goodman an der Klarinette und Leonard Bernstein am Klavier hoben die Sonate im April 1963 in New York aus der Taufe. Zu diesem Zeitpunkt war sie schon nicht mehr eine Hommage an Honegger, sondern an Poulenc selbst, der im
Januar 1963 gestorben war.