Langsamer Satz für Streichquartett (1905) | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Anton Webern

Langsamer Satz für Streichquartett (1905)

Langsam, mit bewegtem Ausdruck

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 4257

Satzbezeichnungen

Erläuterungen

Anton Webern schrieb seinen Langsamen Satz für Streichquartett im Jahre 1905, drei Jahre vor seinem Opus 1, der Passacaglia für Orchester. Seit 1904 war Webern Kompositionsschüler von Arnold Schönberg in Wien, und tatsächlich finden sich auch Eintragungen des berühmten Lehrers in seinen frühen Manuskripten. Obwohl zeitgenössische Kritiker Schönbergs Klasse als die “hohe Schule der Dissonanz” diffamierten und Weberns frühen Arbeiten “wilde Konfusion” vorwarfen, ahnten sie das Genie des jungen Komponisten doch bereits – neben dem seines Studienkollegen Alban Berg. Zusammen mit ihrem Lehrer Schönberg bilden die Beiden für uns heute die große Trias der “Zweiten Wiener Schule”.

Während man Weberns langsamen Satz für Streichquartett damals als durchaus neuartig empfand, wird heute meist seine Nähe zu Brahms unterstrichen. Tatsächlich bewegt sich das einsätzige Stück genau an der Grenze zwischen früher Moderne und der Brahms-Tradition:

“Bestimmte rhythmische Elemente, und die grundsätzliche Rhetorik und Klangauffassung weisen auf diesen deutschen Komponisten hin, doch die besonderen Streichereffekte, wie das tremolo sul ponticello, nehmen in ihrem ätherischen Klang die 5 Sätze für Streichquartett, op. 5, vorweg, die nur wenige Jahre später (1909) komponiert wurden.” (Hans Moldenhauer)

In Weberns Frühwerken wird sein bedingungsloses Streben nach Ausdruck in der Musik deutlicher als in vielen seiner späteren, auf äußerste Kürze reduzierten Werke. Man wird auch in diesem Streichersatz an die Beschreibung erinnert, die der Wiener Pianist Peter Stadlen von Webern am Klavier gegeben hat:

“Wenn er sang und schrie, seine Arme bewegte und mit den Füßen stampfte beim Versuch, das auszudrücken, was er die Bedeutung der Musik nannte, war ich erstaunt zu sehen, daß er diese wenigen, für sich allein stehenden Noten behandelte, als ob es Tonkaskaden wären. Er bezog sich ständig auf die Melodie, welche, wie er sagte, reden müsse wie ein gesprochener Satz. Diese Melodie lag manchmal in den Spitzentönen der rechten Hand und dann einige Takte lang aufgeteilt zwischen linker und rechter. Sie wurde geformt durch einen riesigen Aufwand von ständigem Rubato und einer unmöglich vorherzusehenden Verteilung von Akzenten. Aber es gab auch alle paar Takte entschiedene Tempowechsel, um den Anfang eines neuen gesprochenen Satzes zu kennzeichnen.”