Terzett E-Dur, op. 61,1
Werkverzeichnisnummer: 4248
1. Langsam, mit sinnigem Ausdruck – Heimlich bewegt – Wie anfangs – Leidenschaftlich bewegt
2. Lebhaft bewegt, launig
3. Langsam, sehr zart
4. Lebhaft, übermütig
Robert Fuchs
Terzett E-Dur, op. 61,1
Beginnen wir unseren Rundgang bei einem Komponisten, der
14 Jahre jünger war als Brahms, aus der dörflichen Steiermark stammte und doch von der Metropole rückhaltlos akzeptiert wurde: Robert Fuchs. Er ging als „Serenadenfuchs“ in die Musikgeschichte ein, denn er feierte seine größten Erfolge nicht im hehren Genre der Symphonie, sondern in deren populärer Schwester. Diese gefällige Synthese aus Tanzfolge und Symphonik, die nicht mehr Walzer und noch nicht Symphonie war, entsprach genau dem Temperament des steirischen Komponisten, von dem Brahms schwärmte: „Fuchs ist ein famoser Musiker. So fein und so gewandt, so reizvoll erfunden ist alles, man hat immer seine Freude daran!“
Am Wiener Konservatorium war der „Serenadenfuchs“ Lehrer so prominenter Schüler wie Gustav Mahler, Hugo Wolf, Arnold Schönberg, Franz Schreker und Alexander von Zemlinsky. Sie alle durchliefen seinen Unterricht in Harmonielehre und Kontrapunkt – sehr zu ihrem Vorteil. Auch hier kann man, wie bei seiner Freundschaft mit Brahms, von einer wechselseitigen Anerkennung und Beeinflussung sprechen, die den Spätwerken von Fuchs eine Aura von Mahler und frühem Schönberg verleiht.
Eine weitere Eigenart des Robert Fuchs war seine Anhänglichkeit an die steirische Heimat. Er wurde 1847 in Frauenthal im Sulmtal geboren, und zwar als 13. Kind eines keineswegs wohlhabenden Schullehrers, Organisten und Komponisten – eine sozusagen grundsteirische Familie. Was ihnen an materiellen Gütern abging, das ersetzten sie durch die Musik. So fand der kleine Robert in seinem Schwager in St. Peter im Sulmtal einen eifrigen musikalischen Lehrmeister. Mit 16 trat er in die Fußstapfen seines fünf Jahre älteren Bruders Johann Nepomuk, der in Graz als Komponist und Leiter des Akademischen Gesangsvereins sein Glück gemacht hatte, und ging in die steirische Hauptstadt. Während er den Präparandenkurs zum Lehramt absolvierte – daher seine später so erfolgreiche Didaktik -, perfektionierte er sich musikalisch beim Domorganisten Carl Seydler. 1865 zog es ihn dann doch weiter nach Wien, wo er Desoff-Schüler wurde und nach nur zwei Jahren am Konservatorium eine h-Moll-Sinfonie (seine „Nullte“) als Abschlussarbeit vorlegte, die von den Philharmonikern in Teilen aufgeführt und mit einer Silbermedaille ausgezeichnet wurde. 1874 begann er mit der Serie seiner fünf Orchesterserenaden, seinem größten Erfolg zu Lebzeiten. Die Uraufführung der ersten Serenade Opus 9 wurde für ihn zum Durchbruch beim Wiener
Publikum, dem er erst viel später seine beiden ersten Sinfonien folgen ließ. Er schrieb sie erst, nachdem Brahms seinen sinfonischen Zyklus bereits beendet hatte: 1886 und 1887. Die Dritte ließ weitere zwei Jahrzehnte auf sich warten (1907) und fand erst in einer Aufführung unter Felix Weingartner breitere Anerkennung, die 1922 zum 75. Geburtstag des Komponisten erklang. Fuchs starb fünf Jahre später, wenige Tage nach den Feiern zu seinem 80. und – so wird berichtet – aus Erschöpfung über dieselben.
Im Schatten der Orchesterwerke schuf Fuchs im Laufe eines halben Jahrhunderts Chorwerke, Lieder und Kammermusik in großer Zahl. Allein die Letztere umfasst 20 Opera in den üblichen Genres: ein Klarinettenquintett, diverse Streich- und Klavierquartette, zwei Cello- und sechs Violinsonaten. Neben diesen größeren Stücken er-freute der „Serenadenfuchs“ die Kammermusikliebhaber Wiens aber auch mit genrehafter Hausmusik.
Dazu gehören die beiden Terzette seines Opus 61, die 1898 im Druck erschienen – nur ein Jahr, bevor Arnold Schönberg seine Verklärte Nacht komponierte. Der Abstand könnte kaum größer sein: Dort, bei Schönberg, finden wir ein halbstündiges Riesenwerk in einem Satz, das in ekstatischen Klangballungen der sechs Streicher gipfelt; hier, bei Fuchs, eine zarte Serenadenmusik für gerade mal die halbe Besetzung aus zwei Geigen und einer Bratsche, deren vier Sätze sich durch gedrängte Kürze und ein leicht ironisches Spiel mit Gefühlswallungen und Stimmungsvaleurs auszeichnen.
Im ersten Satz wechseln zwei Motive miteinander ab: ein zarter Gesang in E-Dur „mit sinnigem Ausdruck“ und ein nicht minder schüchternes Tanzmotiv, das zunächst „heimlich bewegt“ erscheint. Erst nach der Wiederkehr des Anfangs entfaltet sich die heimliche Liebe, die hier offenbar porträtiert werden soll, heftiger, nämlich „leidenschaftlich bewegt“. Eine Seite nur umfasst das folgende Scherzo, eine trippelnde Musik aus lauter Staccato-Achteln, die sich „launig“ und mit raffinierten rhythmischen Verschiebungen durch den Tonraum bewegen, um sich am Ende buchstäblich in nichts aufzulösen. Kaum eine halbe Seite füllt der langsame Satz, der einen einzigen melodischen Bogen beschreibt, während sich das Finale wahrhaft „übermütig“ in die Rhythmen eines Csárdás stürzt. Mit Brahms darf man zu diesem Werklein in voller Überzeugung sagen: „So fein und so gewandt, so reizvoll erfunden ist alles, man hat immer seine Freude daran!“