KLAVIERTRIO D-Dur, op. 70, 1 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Ludwig van Beethoven

KLAVIERTRIO D-Dur, op. 70, 1

KLAVIERTRIO D-Dur, op. 70, 1 “Geistertrio”

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 4237

Satzbezeichnungen

1. Allegro vivace e con brio

2. Largo assai ed espressivo

3. Presto

Erläuterungen

Ludwig van Beethoven
Trio D-Dur, op. 70 Nr. 1

“Denkt Euch eine sehr hübsche, kleine, feine 25jährige Frau, die im 15. Jahre verheiratet wurde, gleich vom ersten Wochenbett ein unheilbares Übel behielt, seit den 10 Jahren nicht zwei, drei Monate außer dem Bette hat sein können, dabei doch drei gesunde liebe Kinder geboren hat, die wie die Kletten an ihr hängen; der allein der Genuß der Musik blieb, die selbst Beethovensche Sachen recht brav spielt, und mit noch immer dick geschwollenen Füßen von einem Fortepiano zum andern hinkt, dabei doch so heiter, so freundlich und gut.” So beschrieb der Berliner Komponist und Publizist Johann Friedrich Reichardt die ungarische Gräfin Marie Erdödy, der Beethoven seine beiden Klavier-trios Opus 70 widmete.

Im Winter 1808 stellte er die beiden Werke der Öffentlichkeit vor – im Hause der Gräfin, wo er damals wohnte. Reichhardt hörte sie am Silvestertag mit dem Komponisten am Flügel und geriet über die Musik ins Schwärmen. Seine Äußerung ist einer von vielen Belegen dafür, wie sehr Beethovens Werke jener Zeit – es waren neben den beiden Trios die 5. und 6. Symphonie, die Coriolan-Ouvertüre und das 4. Klavierkonzert – bei den Musikfreunden Wiens auf Zustimmung, ja Begeisterung stießen. Dennoch blieb das Verhältnis des Komponisten zu seiner Wiener Umgebung gespannt.
Nur wenige Wochen nach der glanzvollen Uraufführung der Trios wollte sie Beethoven nicht mehr der Gräfin Erdödy, sondern Erzherzog Rudolph widmen, denn in der Zwischenzeit war es zu einer fürchterlichen Auseinandersetzung mit seiner Gastgeberin gekommen. Die Gräfin hatte gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Joseph Brauxle Beethovens Diener bestochen – für sexuelle Gefälligkeiten, wie der Komponist vermutete, der ihr Haus sofort verließ, während die Gräfin beteuerte, sie habe den Diener nur bezahlt, um seinen Herrn an sich zu binden. Wie auch Reichardt bemerkte, war es das größte Problem von Beethovens Mäzenen, “dem zarten, reizbaren und mißtrauischen Künstler die Mittel zur Annehmlichkeit des Lebens so anzubringen, daß er sie gerne empfänge und auch seine Künstlerbefriedigung darin fände.”

Neben Reichardt hat noch ein zweiter prominenter Kritiker der damaligen Zeit die Trios Opus 70 gewürdigt: E.T.A. Hoffmann widmete ihnen eine ausführliche Kritik in der Allgemeinen Musikalischen Zeitung. Für ihn war das D-Dur-Trio “weniger düster als manche andere Instrumental-Compositionen Beethovens gehalten”, es spreche daraus “ein frohes, stolzes Bewusstseyn eigener Kraft und Fülle”. Vom ersten Satz meinte der erfahrene Rezensent, der bekanntlich auch selbst komponierte, es “offenbare sich im Hauptthema schon ganz der Character des Trios … Umso zweckmäßiger war es, den im ganzen Stück vorherrschenden Gedanken in vier Octaven unisono vortragen zu lassen; er prägt sich dem Zuhörer fest und bestimmt ein, und dieser verliert ihn in den wunderlichsten Krümmungen und Wendungen, wie einen silberhellen Strom, nicht mehr aus dem Auge.” In der Tat verarbeitet der ganze erste Satz in kaum abreißender dichter Folge immer neue Varianten des Hauptthemas.

Dem langsamen Mittelsatz verdankt das Trio seinen populären Beinamen “Geistertrio”. Nicht erst Beethovens Schüler Carl Czerny meinte: “Der Character dieses, sehr langsam vorzutragenden Largo ist geisterhaft schauerlich, gleich einer Erscheinung aus der Unterwelt. Nicht unpassend könnte man sich dabei die erste Erscheinung des Geist’s im Hamlet denken.” Zum Eindruck des Geisterhaften trägt der Klang bei: Das Hauptthema, das sich wie ein melancholischer Gesang über den ganzen Satz legt, wird vom Klavier mit schnellen Sextolen leggiermente begleitet, woraus nach Hoffmann “ein Säuseln”, ein schattenhafter Klang entsteht. Verbunden mit den düsteren Akkordballungen und dem seltsam verhangenen Duktus der Themen wirkt der ganze Satz wie ein gespenstisches Bild. Es gipfelt in den düsteren Klängen der Coda, wo die Sextolen in den Klavierbass wie in eine Gruft hinabzusteigen scheinen. Dennoch hat nicht jeder Hörer oder Rezensent bei diesen Klängen gleich an Geistererscheinungen im Stile Shakespeares gedacht. E.T.A. Hoffmann hörte aus dem Satz nur den “Charakter einer sanften, dem Gemüth wohltuenden Wehmuth” heraus.

“Wie der Sturmwind die Wolken verjagt” (Hoffmann), so verdrängt das Finale das düstere Largo. Es kehrt zur tatenfrohen Gemütslage und zur kontrapunktischen Verarbeitungstechnik des Kopfsatzes zurück.