Allegro aus dem Concerto op. 3,10
(Arrangement: Hugh Field-Rechards)
Werkverzeichnisnummer: 4226
Antonio Vivaldi
Allegro a-Moll
Der Lagunenstadt Venedig und ihrem berühmtesten Komponisten, Antonio Vivaldi, kommt in der Geschichte der Musik für Fagotte eine besondere Stellung zu. In keiner Stadt wurden die virtuosen Möglichkeiten des Instruments früher ausgeschöpft als hier, und kein Komponist des 18. Jahrhunderts hat das Fagott genialer behandelt als der gebürtige Venezianer, den man wegen seines roten Haupthaares und seines eigentlichen Berufs den “rothaarigen Priester” nannte: “il prete rosso”. Seine hoch virtuosen Fagottkonzerte schrieb er für junge Mädchen, die sich in einem der vier berühmten Findlingshäuser der Stadt zu wahren Virtuosinnen heranbildeten: im Ospedale della Pietà.
Tausende von Touristen passieren täglich auf der Riva degli Schiavoni, der Flaniermeile vor Dogenpalast und Seufzerbrücke, diese wichtigste Wirkungsstätte Vivaldis. 35 Jahre lang unterrichtete er in diesen Räumen, die heute eine Pension seines Namens füllt, mittellose junge Venezianerinnen auf der Violine. Als “Maestro de’ Concerti” schulte er sie zudem im perfekten orchestralen Zusammenspiel. Die viel bewunderte Kunst venezianischen Orchester- und Solospiels lag hier nicht in männlichen, sondern fast gänzlich in weiblichen Händen, wobei die Reisenden kaum wussten, worüber sie mehr staunen sollten: über die Schönheit der Musikerinnen, die keusch hinter einem Holzgitter verborgen blieben, oder über ihre Virtuosität. Beides war gleichermaßen atemberaubend.
Während er in aller Ruhe mit seinen weiblichen Zöglingen probte, entwickelte Vivaldi still und heimlich eine musikalische Form zur Perfektion, die bald in aller Welt sein Markenzeichen werden sollte: das Concerto. Mehr als 400 Konzerte für eines oder mehrere Soloinstrumente mit Streichorchester und Basso continuo hat der “prete rosso” geschaffen und für teures Geld an reisende Musikliebhaber oder seinen Verleger in Amsterdam verkauft. Vivaldi machte Venedigs Concerti zum Exportschlager in der ganzen Welt.
Als 1711 sein Opus 3, zwölf Concerti mit dem Titel L’Estro armonico, im Druck erschienen, riss sich halb Europa um diese Ausgabe. Ein sächsischer Prinz brachte die Concerti mit nach Weimar, wo sie von Bach für Orgel und Cembalo arrangiert wurden. Andere Arrangements ließen nicht lange auf sich warten.
Unsere Interpreten spielen ein Allegro aus dem 10. Konzert in einer Fassung für Fagotte und Kontrafagott. Es handelt sich um das berühmte h-Moll-Konzert für vier Violinen, das schon Bach nach a-Moll transponierte und für vier Cembali arrangierte.
Unser zweites Vivaldistück stammt aus der Serie seiner Sonaten für Violoncello und Basso continuo, hier gespielt auf Fagott und Kontrafagott. Vivaldi hat die Kunst der jungen Fagottistinnen, die von seinen Bläserprofessoren-Kollegen am Ospedale della Pietà ausgebildet wurden, zwar in zahlreichen, raffiniert instrumentierten Kammerkonzerten gefeiert, nicht aber in Solosonaten. Seine Cellosonaten sind dafür ein willkommener Ersatz, zumal sie an die Kunst heutiger Fagottisten dankbare Anforderungen stellen. Anders als in Vivaldis Konzerten, die fast stets mit einem Allegrosatz beginnen, folgen seine Sonaten noch dem alten barocken Aufbau aus zwei Satzpaaren von Largo- und Allegro-Sätzen.