Violinkonzert Nr. 5 A-Dur, KV 219
Werkverzeichnisnummer: 4206
1. Allegro aperto
2. Adagio
3. Rondeau
Schlussendlich hatte Mozart genug vom Geigen. Im September 1778, als die Rückreise von Paris nach Salzburg bevorstand und die Fron der heimatlichen Hofmusik ihren bedrohlichen Schatten vorauswarf, schrieb er an den Vater: „Nur eines bitte ich mir zu Salzburg aus, und das ist: dass ich nicht bey der Violin bin, wie ich sonst war. Keinen Geiger gebe ich nicht mehr ab; beym Clavier will ich dirigieren.“ Es war der Schluss-Strich unter die große Zeit des Geigers Mozart.
Sie hatte im August 1772 mit der Ernennung zum „besoldeten“ Konzertmeister der Salzburger Hofkapelle begonnen. Der neue Fürsterzbischof Hieronymus von Colloredo wies dem strahlenden Stern am Salzburger Musikhimmel einen festen Platz am höfischen Firmament zu – einen Platz, an dem Mozart zwar gebührend leuchten, aber nicht über Gebühr strahlen konnte. Denn für seine eigentliche Doppelbegabung als Klaviervirtuose und Opernkomponist hatte der Erzbischof vorerst keine Verwendung. Mozarts wahre Berufung sollte sich erst unter den Auspizien der Mannheim-Paris-Reise fünf Jahre später immer mehr in den Vordergrund schieben. Endpunkt dieser Entwicklung war der zitierte Brief aus Paris vom 11. September 1778. Dieser Bruch in der Biographie erklärt, warum Mozart alle seine fünf Violinkonzerte vor 1777 komponiert hat, genauer: in den Jahren 1773 und 1775. Es waren die großen Jahre, in denen er sich selbst als Geiger sah – fast gleichberechtigt neben seinem Klavierspiel.
Kaum eine Akademie bei Hofe, ohne dass er sich mit einem seiner Violinkonzerte oder im Solo einer Orchesterserenade präsentiert hätte. Leider haben wir von diesen Auftritten im heimatlichen Salzburg keine authentischen Zeugnisse, wohl aber von geigerischen Höhenflügen andernorts. Aus München berichtete Mozart im Oktober 1777 dem Vater: „Zu guter Letzt spielte ich die letzte Cassation aus dem B von mir. Da schaute alles groß drein. Ich spielte, als wenn ich der größte Geiger in ganz Europa wäre.“ Der Vater verfolgte diese Auftritte aus der Ferne mit Begeisterung und ermunterte den Sohn: „Du weißt selbst nicht, wie gut du Violin spielst, wenn du nur dir Ehre geben und mit Figur, Herzhaftigkeit und Geist spielen willst, ja so, als wärest du der erste Violinspieler in Europa … O wie manchmal wirst du einen Violinspieler, der hoch geschätzt wird, hören, mit dem du Mitleiden haben wirst!“
Das schönste Zeugnis dieser Hochphase von Mozarts Violinspiel ist das A-Dur-Konzert, KV 219. Es ist das längste und anspruchsvollste, melodisch einprägsamste und im Orchesterklang reichste seiner fünf Violinkonzerte. Mozart hat es am 20. Dezember 1775 beendet, kurz vor Weihnachten also, wo sich die Gelegenheit zu einer besonders prachtvollen Akademie bei Hofe geboten haben muss. Sicher dachte er aber auch schon an den bevorstehenden Fasching, da er das Finale als eine regelrechte Maskerade im türkischen Stil anlegte.
Der Beginn des ersten Satzes strahlt eine geradezu elektrisierende Spannung aus: Erwartungsvoll aufsteigende A-Dur-Dreiklänge werden von prickelndem Tremolo grundiert und von herrischen Einwürfen unterbrochen. Später wird der Solist über diesem spannungsvollen Klanggrund sein jubelndes Thema in hoher Lage anstimmen, das sogleich durch Passagen und große Sprünge angemessen brillant daherkommt. Dennoch ist der Satz auch reich an weichen, gesanglichen Episoden. Die schönste von ihnen spielt die Solovioline gleich bei ihrem ersten Einsatz. Statt das kraftvolle Allegro des Orchesters aufzugreifen, lehnt sie sich entspannt zurück und spielt ein Adagio, das wie die zärtliche Arie einer Primadonna wirkt, untermalt von „flüsternden“ Terzen der Tuttigeigen. Die zauberhafte Stelle kommt leider nur einmal – ein Theatercoup des geborenen Opernkomponisten Mozart mitten in einem Violinkonzert.
Das folgende Adagio steht in der bei Mozart seltenen Tonart E-Dur und wird völlig von den Seufzerfiguren des ersten Taktes beherrscht, die sich wie ein Band durch den ganzen Satz ziehen. Der Mittelteil wagt sich weit in Mollregionen vor. Für ein Salzburger Violinkonzert war dieses Adagio eigentlich „zu studiert“, wie es der spätere Konzertmeister Brunetti ausdrückte.
Umso unbeschwerter gibt sich das Rondo, zunächst als Menuett. Die Solovioline intoniert das berühmte Thema, das sich im Schlagabtausch mit dem Orchester immer schwungvoller entfaltet. Dann aber macht der Tanz einer romantisch-nächtlichen Episode in a-Moll Platz, die sich alsbald in einen drastischen „Türkischen Marsch“ verwandelt, voller fremdartiger Harmonien und krasser Akzente. Die tiefen Streicher missbrauchen ihre Celli und Kontrabässe als Schlagwerk. Der Einschub entfaltet eine angemessen „barbarische“ Wirkung, um das Menuett bei seiner Rückkehr noch höfischer und eleganter erscheinen zu lassen. Am Ende macht es sich auf leisen Sohlen davon – ein Mozartscher Scherz. Die türkische Episode dieses Finales übernahm Mozart wirklich aus einer Ballettmusik im türkischen Stil, „Le gelosie del Seraglio“, „Die Eifersüchteleien im Serail“, die er für seine letzte Mailänder Oper „Lucio Silla“ skizziert, aber nicht ausgeführt hatte. So fand echte Ballettmusik Eingang in sein schönstes Violinkonzert.