Sonata per Assisi | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Antal Dórati

Sonata per Assisi

Sonata per Assisi. Fünf Stücke für zwei Flöten

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 4186

Satzbezeichnungen

1. Fantasia Andante tranquillo, rubato

2. Intermezzo Allegro

3. Elegia Poco lento, molto rubato (all’ongarese)

4. Capriccio Presto

5. Notturno Moderato

Erläuterungen

Jeder Schallplattenfreund und Haydn-Liebhaber kennt den Namen Antal Dórati: Am Pult der von ihm geleiteten „Philharmonia Hungarica“ spielte der Dirigent als erster sämtliche Sinfonien und acht Opern von Joseph Haydn für die Schallplatte ein – für die damalige Zeit ein Abenteuer. Es war nur eine Serie unter insgesamt mehr als 600 Einspielungen, die dem Dirigenten Dórati im Laufe seines Lebens 31 Mal den „Grand Prix du Disque“ und unzählige andere Auszeichnungen eintrugen. Vor allem am Pult amerikanischer Orchester – Detroit, Minneapolis, Dallas – sorgte der geborene Ungar, seit 1947 amerikanischer Staatsbürger, für Furore.

Angesichts seines Nachruhms als Dirigent ist der Komponist Antal Dórati in Vergessenheit geraten. In Budapest geboren und ausgebildet, konnte er dort mit 18 Jahren sein Debüt feiern – als jüngster Dirigent in der Geschichte der Budapester Oper. Dass er daneben auch Komposition bei Zoltán Kodály studierte, blieb schon bald hinter der Dirigentenkarriere zurück und verborgen. Während ihn Fritz Busch als Assistenten nach Dresden rief, während er Musikdirektor der „Ballets Russes“ in Monte Carlo und des „American Ballet Theatre“ in New York war, schrieb er unablässig Kompositionen. Gelegentlich ließ er sie von den Orchestern in Amerika und England, die er leitete, aufführen: vom National Symphony Orchestra in Washington bis hin zum BBC Orchestra.

Ehrungen aus aller Herren Länder begleiteten den Lebensweg des Dirigenten Dórati, nicht den des Komponisten: Ehrenpräsident der Philharmonia Hungarica, vierfacher Ehrendoktor, Mitglied der Schwedischen Akademie der Wissenschaften, Träger des Wasa-Ordens, das österreichischen Ehrenkreuzes „Artibus et Litteris“ und des französischen Ordens „des Arts et des Lettres. 1983 schlug ihn Königin Elisabeth II. zum „Knight of the British Empire“. 1988 ist Antal Dórati in seinem Schweizer Wohnort Gerzensee verstorben – hoch geehrt, doch als Komponist nur den Kennern bekannt.

In zwei Büchern hat er sein Leben Revue passieren lassen: In „Notes of Seven Decades“ von 1975 und dem 1987 verfassten Buch „For Inner and Outer Peace“. Das Thema des „inneren und äußeren Friedens“ prägte seine letzten beiden Lebensjahrzehnte entscheidend. Davon zeugt auch der Liederzyklus in unserem Programm: „In the Beginning“, fünf Meditationen auf Texte aus der Bhagavad-Gita.

Die Bhagavad-Gita sei „das schönste, ja vielleicht das einzige wahrhaft philosophische Gedicht“ der Menschheit, meinte einmal Wilhelm von Humboldt über das hinduistische „Lied von der Gottheit“. Das lange Gespräch zwischen Ardjuna, dem Menschen schlechthin, der zwischen den widerstreitenden Prinzipien des Lebens seinen Weg sucht, und dem Gott Krishna, der ihn über die wahre Natur des Menschen und seine Stellung zu Gott belehrt, findet auf dem Schlachtfeld statt, vor der Entscheidungsschlacht zwischen Gut und Böse in mythischer Vorzeit. Historisch betrachtet handelt es sich um eine Episode aus jenem Kampf, der in der Mahabhàrata, einem Teil der Veden, beschrieben wird. Für Yoga, Ayurveda und ähnliche Strömungen unserer Tage spielt der Text folglich eine zentrale Rolle, doch findet sich die Gita auch in jedem Nachttisch indischer Hotels als Kernbuch des Hinduismus. In den USA erlangte es traurige Berühmtheit durch Robert Oppenheimer, der einen Vers daraus vor dem ersten Test der Atombombe rezitierte. Für Dórati maßgeblich waren die zeitlosen philosophischen Botschaften vom „inneren und äußeren Frieden“ des Menschen, die das Buch enthält: „Keiner sei gleich dem andern, doch gleich sei jeder dem Höchsten. Wie ist das zu machen? Es sei jeder vollendet in sich.“

Dóratis halbstündige „Meditationen“ sind für Bassbarition, Oboe, Cello und Schlagzeug gesetzt, eine ungewöhnliche Besetzung. 1979 komponiert, fand das Werk 1980 durch Mitglieder seines damaligen Orchesters, des „Detroit Symphony Orchestra“, seine Uraufführung. Das reiche Schlagzeug ist durchaus orchestral: Vibraphon, Glockenspiel, Gongs, Indian Drums, Bongos und Tam-Tam verleihen den fünf Meditationen die betreffende Klangaura.

Die Instrumentalwerke des Programms sind weniger weltanschaulich-philosophisch als vielmehr musikalisch-konkret. Sie beweisen, wie sehr Dórati nach eigener Aussage ein „Spezialist im Nicht-Spezialisieren“ war. Das „Duo Concertante“ für Oboe und Klavier gab ein berühmter Oboist bei ihm in Auftrag: Heinz Holliger. Der Schweizer Musiker, selbst Dirigent und Komponist, hob das viertelstündige Werk 1984 in Washington aus der Taufe. Es macht von modernen Spieltechniken, wie Holliger auf der Oboe konsequenter kultivierte, freien Gebrauch.

Das Adagio für Viola und Klavier ist das späteste der hier gespielten Stücke, ein Jahr vor dem Tod des Komponisten in Gerzensee uraufgeführt. Es ist eine Trauer- und Abschiedsmusik, die einmal mehr Dóratis Hang zum Meditativen, zum ruhigen Ausschwingen der Phrasen unterstreicht.

„Sonata per Assisi“ nannte er fünf Stücke für zwei Flöten, die er im Sommer 1980 in der umbrischen Stadt des Hl. Franziskus aus Anlass der „Accademia Musicale Ottorino Respighi“ schrieb. Susan Milan and Maxence Larrieu waren damals die Interpreten. Es handelt sich nicht um eine Sonate im engeren Sinne, sondern um einen freien, bogenförmigen Zyklus. Er beginnt und endet in ruhigem Tempo, weist als Zentrum eine tiefgründige ungarische Elegie auf und rahmt diese durch zwei schnelle Scherzosätze ein. Bemerkenswert ist besonders die einleitende Fantasie mit ihren ruhigen Rubatolinien und das abschließende Notturno, eines der vielen Nachtstücke des Komponisten.