Sonate Nr. 2 g-Moll für Violoncello und Klavier, op. 117
Werkverzeichnisnummer: 4181
1. Allegro
2. Andante
3. Allegro vivo
Die Geschichte der zweiten Cellosonate von Fauré beginnt im Herzen von Paris an prominenter Stelle: am Grab Napoleons im Dome des Invalides. Zum hundertsten Todestag des Kaisers der Franzosen 1921 schrieb der damals schon hoch betagte Gabriel Fauré einen Chant funéraire, einen Grabesgesang, dessen Instrumentierung für Blasorchester er dem Kapellmeister der Garde républicaine überließ. Schon in dieser ersten Klanggestalt und unter den bewegenden Bedingungen der Uraufführung am Sarg Napoleons hinterließ das Stück einen unvergesslichen Eindruck. Fauré beschloss deshalb, ihm einen dauerhaften Platz in seinem Schaffen einzuräumen: im Zentrum seiner zweiten Cellosonate. Er verwandelte den Grabesgesang in ein elegisches Andante für Cello und Klavier und fügte zwei Ecksätze in schnellem Tempo hinzu.
Die so entstandene Sonate wurde im Mai 1922 von dem Cellisten Gérard Hecking, begleitet von keinem Geringeren als dem Pianisten Alfred Cortot, in der Société Nationale de Musique in Paris zur Uraufführung gebracht. Er war ein rauschender Erfolg für Fauré, den Grandseigneur des Impressionismus. Das neue Werk überschattete alsbald seine fünf Jahre ältere erste Cellosonate.
Lange, melancholisch schöne Melodielinien prägen den ersten Satz, zu Beginn getragen von nachschlagenden Achteln der linken Hand. Darüber entfaltet sich der schöne Bogen des g-Moll-Hauptthemas in einem freien Kanon zwischen rechter Hand und Cello. Das Seitenthema wird über gebrochenen Dreiklägen singend vom Klavier angestimmt (Cantando). Die Begleitfiguren der beiden Themen, nachschlagende Achtel und Arpeggi, lösen einander im ganzen Satz beständig ab, gepaart mit den noblen Melodien von Cello und rechter Hand, die fast beständig im Kanon gehen. Die Sonatenform des Satzes wird unangestrengt durch Exposition und Durchführung geleitet, um im Moment der Reprise g-Moll gegen G-Dur einzutauschen. Nun wandert das Hauptthema endlich auch in die linke Hand. Die Themen hellen sich auf und gipfeln, nach einem feinen Decrescendo kurz vor Schluss, in kraftvollen G-Dur-Akkorden.
Das Andante, der ehemalige Grabesgesang für Napoleon, steht natürlich in der Trauertonart c-Moll und imitiert in seinen schlichten Klavierakkorden den Duktus eines Trauerzugs. Darüber stimmt das Cello einen feierlichen Gesang in punktierten Rhythmen an, ganz nach der Tradition des Trauermarschs von Chopin, nur viel singender und freier im Rhythmus. Am Ende der weit ausholenden Melodie beschleunigt sich die Begleitung zu Achteln, über denen eine Choralmelodie des Cellos in As-Dur anhebt. Sie wird vom Klavier aufgegriffen und gipfelt über wogenden Sechzehnteln in einem pathetischen h-Moll-Höhepunkt. Darauf folgen das Trauerthema im Duktus des Beginns und der nach C-Dur transponierte Choral, der in leisen, ätherischen Akkorden ausklingt. In dieser hellen, von aller Erdenlast befreiten Coda wandern die Gedanken gewissermaßen in die elysischen Gefilde der vom Leide Erlösten.
Die Sonate schließt mit einem tänzerischen, fast fröhlichen
Allegro aus Synkopenrhythmen und drängenden melodischen Phrasen, wirbelnden Sechzehnteln und Tremoli des Cellos. “Jubelnd, gleichsam dionysisch, eines der großen Scherzi von Fauré” nannten französische Musikhistoriker diesen Satz, der wiederum im strahlenden G-Dur endet.