„La Muerte del Angel“ (Der Tod des Engels)
Werkverzeichnisnummer: 4162
2005
ARGENTINISCHE
TANGOS
Tanzen ist eine der großen Leidenschaften und eine der grundlegenden Ausdrucksmöglichkeiten des Menschen. Getanzte Leidenschaften manifestieren sich für uns im Tango, einem Tanz, der um 1900 in Buenos Aires, damals Treffpunkt der Alten mit der Neuen Welt, die vielfältigsten Einflüsse zusammenführte. Der Tango, wie der Tanz im allgemeinen, ist immer auch eine Suche nach sich selbst, ein Stück Versenkung in die eigenen Wünsche und Sehnsüchte. Und natürlich steht das Thema der Liebe über allem.
Astor Piazzolla, der 1992 verstorbene Erneuerer des Tango, erzählte, wie letzterer entstand und sich bis heute entwickelte: „Der Tango wird im Jahre 1882 in Buenos Aires geboren, … es ist eine anmutige, lebhafte Musik; sie spiegelt die gute Laune und die Beredtheit der Französinnen, Italienerinnen und Spanierinnen wider, die in den Bordellen von Buenos Aires leben und Polizisten, Matrosen und Gauner in ihre Fänge locken. Um 1930 ist der Tango die Musik der Cafés. Er wird musikalischer, ja auch romantischer und verändert sich auf radikale Weise: die Bewegungen werden langsamer, neue Harmonien kommen hinzu, und das Ganze bekommt einen stark melancholischen Zug. Um 1960 ist der Tango die Musik der Nightclubs. Brasilianer und Argentinier treffen sich in Buenos Aires; Bossa Nova und neuer Tango sind Teil eines gemeinsamen Kampfes. Jeden Abend füllen sich die Nightclubs mit Menschen, die den neuen Tango mit Ernst und Überzeugung anhören. Heute trifft sich der Tango in vielen Punkten mit der Neuen Musik. Auf der Basis des alten Tango finden wir Reminiszenzen an Bartók, Strawinsky u.a. Dies ist der Tango von heute, der Tango von morgen.“
Als Inkarnation all dessen, was den ursprünglichen Tango ausmachte, gilt bis heute Carlos Gardel, der bei einem Flugzeugabsturz viel zu früh ums Leben kam. Weiter entwickelt wurde der Tango dann von Astor Piazzolla, dem Begründer des Nuevo Tango. Sein Stück La Muerte del Angel („Der Tod des Engels“) gehört zu einer 1962 komponierten Schauspielmusik und damit in die Anfänge seines Schaffens. Es ist ein glänzender Beleg für die satztechnische Vielfalt in Piazzollas Tangos, denn es beginnt mit einer Fuge. Im Mittelteil beruhigt sich die Bewegung und macht einem schwärmerischen Gesang Platz. Im Schlussabschnitt kehrt die Fuge wieder und mit ihr der aggressive Charakter massiver Klangballungen, wie man sie in vielen Tangos findet.
Volker Höh / Karl Böhmer