„L’Orage“ Sonate Sentimentale (Das Ungewitter oder der Drachentöter)
Werkverzeichnisnummer: 4154
2005
EIN ITALIENISCHES
GEWITTER
Der Neapolitaner Carulli war neben seinem Landsmann Mauro Giuliani und dem Spanier Fernando Sor der dritte große Gitarrenvirtuose der Romantik. Während Giuliani in Wien wirkte, hatte Carulli sich Paris als Wirkungsstätte auserkoren und blieb dort bis um 1830 der unangefochtene König des Instruments.
Carulli wurde im selben Jahr wie Beethoven geboren, hat es jedoch bis zu seinem Tod 1841 auf etwa die dreifache Anzahl von Werken gebracht, die fast alle der Gitarre gewidmet sind. Seine sentimentale Sonate, Opus 2, legt noch einen weiteren Vergleich mit Beethoven nahe: Es handelt sich um die Darstellung eines Gewitters, wie sie Beethoven mit den ungleich reicheren Mitteln seines Orchesters in seiner 6. Sinfonie, der Pastorale, unternahm.
Solche Gewitterszenen waren ein Lieblingsgenre der nachrevolutionären Zeit – man denke auch an Rossinis Gewitterszene im Barbier von Sevilla. Carulli schrieb seine Sonate um 1808, zwei Jahre nach Beethovens Sinfonie, und spielte sie 1810 in der Pariser Salle Olympique mit sensationellem Effekt. Die Zeitungen schwärmten: „Bis heute hat er nicht aufgehört, seinen Katalog an technischen Schwierigkeiten ständig zu erweitern, und man muss sagen, das er in einer aufwühlenden Weise spielt und so genau, dass man oft drei Stimmen deutlich unterscheiden kann.“
In der Tat waren die dreistimmigen Passagen dieser Sonate, häufig Terz- und Oktavparallelen mit dem Bass, damals ein ganz neuer Effekt auf der Gitarre, den Carulli für die tonmalerische Darstellung des Gewitters weidlich ausnutzte. Durch Klangeffekte wie diesen machte er den großen Klaviervirtuosen der Beethovenzeit Konkurrenz.