"Reflejos de la noche" Quartett Nr. 2 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Mario Lavista

"Reflejos de la noche" Quartett Nr. 2

„Reflejos de la noche“ (Wiederspiegelungen der Nacht) Quartett Nr. 2

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 4119

Satzbezeichnungen

Erläuterungen

2005
MARIO LAVISTA
Reflejos de la noche

Mario Lavista, 1943 in Mexico City als Neffe des Komponisten Raul Lavista geboren, gilt heute als der führende Komponist seines Heimatlandes. Zahllos seine nationalen und internationalen Auszeichnungen, umfassend sein Werk von der Sinfonik über Lied und Klaviermusik bis hin zur Kammermusik. Wie so viele lateinamerikanische Komponisten legte er zunächst in der Heimat eine solide, traditionelle Grundlage, um sich dann in Europa der Neuen Musik anzunähern. Er studierte Klavier und Komposition bei Carlos Chávez und Héctor Quintanar am Conservatorio Nacional de Música. Zum weiteren Studium ging er nach Paris – zu Jean Etienne Marie, Henri Pousseur und natürlich zur unvermeidlichen Nadia Boulanger, bei der auch Astor Piazzolla und andere Protagonisten des Erwachens der lateinamerikanischen Musik studierten. Für die neuesten Trends der Avantgarde in den 60er Jahren war dann Karlheinz Stockhausen zuständig, den Lavista in Köln und Darmstadt erlebte – mit den zu erwartenden Konsequenzen. Wieder zurück in Mexiko, gründete er 1970 die Improvisationsgruppe Quanta mit Schwerpunkt auf elektro-akustischer Musik und trat als Vierteltonpianist auf.
Allmählich aber schleifte sich dieser Avantgarde-Impetus ab. Durch vielfältige organisatorische und editorische Aufgaben in der Heimat, durch die regelmäßige Zusammenarbeit mit dem Nationalballett und durch Aufträge seitens der nordamerikanischen Sinfonieorchester fand Lavista zu einem international beachteten Stil.

Zu seinen bekannteren Werken zählen Lacrymosa von 1992, geschrieben für das National Symphony Orchestra in Washington, seine Octavio-Paz-Lieder Hacia el comienzo für Mezzosopran und Orchester und seine Missa Brevis ad Consolationis Dominam Nostram für gemischten Chor. Seine Fähigkeit, bildhafte Szenen auch mit kleinen Besetzungen zu evozieren, offenbart etwa seine Danza de las bailarinas de Degas für Flöte und Klavier.

Ebenso anschaulich wirkt sein zweites Streichquartett Reflejos de la noche, 1984 komponiert. Während seine übrigen fünf Quartette sich an barockisierenden Formen orientierten (Sinfonien, Inventionen, Suite), bezog er sich im zweiten auf eine literarische Vorlage und eine bildliche Vorstellung. Das Quartett war Teil einer Werkserie, die er in den frühen 80er Jahren begann, eine Art Geschichte der Klänge, gleichsam ein „Tagebuch, dessen Worte sich zwangsläufig ergaben“, wie er schrieb.
„Das erste Werk dieser Serie war ein Streichquartett mit dem Titel ‚Reflejos de la noche‘, das sich in Zusammenarbeit mit dem Cuarteto Latinoamericano schrieb. In diesem Werk nahm ich mir vor, alle realen Klänge auszuklammern und ausschließlich Flageolett zu verwenden, jenes „magische Pulver“, das bislang nur sporadisch in der Musik aufgetaucht war.

Der Titel des Stücks spielt auf eines der acht kurzen Gedichte an, die den Zyklus ‚Suite del insomnio‘ (Suite der Schlaflosigkeit) von Xavier Villaurrutia bilden. Das Gedicht mit dem Titel „Echo“ beginnt so:

Die Nacht spielt mit den Geräuschen
und zeichnet sie
in ihren Klangräumen nach.

Ich beabsichtigte, in diesem Werk die Atmosphäre der Nacht und die Idee der Widerspiegelung einzufangen, die das Gedicht suggeriert. Flageolett zu gebrauchen ist in gewissem Sinne wie das Arbeiten mit widergespiegelten Klängen, deren jeder seinen Grundklang hat, den man aber nicht hört, sondern nur in der Widerspiegelung durch den Flageolett-Ton. Daher ist auch die Gesamtform konzipiert wie ein Spiegel: Das Stück besteht aus einem einzigen Satz, unterteilt in drei Abschnitte, deren letzter die Widerspiegelung des ersten ist. So schließt das Werk, wie es begonnen hat, und erzeugt die Illusion einer temporären Struktur, die zu ihrem Ausgangspunkt zurückkehrt.“ (Mario Lavista)