Zwei Motetten (Arr. Peter Maxwell Davies)
Werkverzeichnisnummer: 4079
1. Peccantem me quotidie
2. O vos omnes
1996
Don Carlo Gesualdo, Principe da Venosa: Peccantem me quotidie
Als Held gleich zweier zeitgenössischer Opern, deren eine vor wenigen Monaten in Kaiserslautern uraufgeführt wurde, genießt Carlo Gesualdo in unserer Zeit unerwartete Popularität. Das Leben des süditalienischen Hochadligen und Komponisten enthält freilich auch alles, was moderne Autoren anziehen kann: “sex and crime”, und zwar in einer Mischung, die von Ferne an den O. J. Simpson-Fall erinnert. In erster Ehe war der Fürst von Venosa mit einer der schönsten Frauen Neapels verheiratet, die dem düsteren Don Carlo als Bettgenossen einen schönen neapolitanischen Höfling vorzog. Als ihr Gatte dies erfuhr, lockte er beide in eine heimtückische Falle und ermordete sie eigenhändig inflagranti. Da er jedoch einer der mächtigsten Männer Süditaliens war, konnten ihn weder der Vizekönig noch die betroffenen Familien zur Verantwortung ziehen. Auch eine zweite Heirat mit einer d’Este-Prinzessin war nicht ausgeschlossen, diente sie doch den Interessen des Papstes am Erbe Ferraras. Ein norditalienischer Hofmann hat Don Carlo der neuen Braut geschildert: als notorisch in schwarz gekleideten Schweiger, der den Tag verschlief und nachts nur dann endlose Monologe hielt, wenn er auf die Jagd oder die Musik angesprochen wurde. Nach Jahren des Leidens an der Seite dieses Mannes floh auch seine zweite Frau zurück nach Ferrara, und Don Carlo überließ sich ganz den beiden Obsessionen seines Alters: der Selbstgeißelung, die er freilich von Dienern besorgen ließ, und der geistlichen Musik.
Seine Motetten und Responsorien sind von unerwarteten chromatischen Schritten und quasi-romantischer Akkordik durchzogen. Peccantem me quotidie aus dem Sacrarum Cantionum Liber Primus von 1603 verstrickt sich nach einem Palestrina-haften Beginn zunehmend in die glühende Leidenschaft dieser Harmonien.