Nocturne für Flöte und Harfe
Werkverzeichnisnummer: 4072
1999
LILI BOULANGER Nocturne für Flöte und Harfe
Die Französin Lili Boulanger war trotz ihrer lebenslangen Gebrechlichkeit eine Vorkämpferin ihrer komponierenden Kolleginnen. Sie war die erste Frau, der es 1913 gelang, den Prix de Rome, den Komponistenpreis des Conservatoire zu gewinnen. Ein Kritiker kommentierte dies mit den Worten: “Wenn die Porzellanpuppen der Musik sich entschließen, mit Ihm um offizielle Lorbeeren zu kämpfen, hat Er schon verloren, ehe Er überhaupt angefangen hat.” (E. Vuillermoz)
Die Tochter eines französischen Komponisten und einer russischen Adligen litt seit ihrer Kindheit an Bronchopneumonie. Sie verbrachte ihr Leben teils in strenger häuslicher Abgeschiedenheit, teils in Sanatorien – in der von Männern beherrschten Musikwelt des frühen 20. Jahrhunderts wurde auch diese Besonderheit als Extravaganz einer adligen jungen Frau mißdeutet. Erst als sie im März 1918 mit 24 Jahren in Paris starb, wurde der Öffentlichkeit die Tragik ihrer Existenz bewußt.
Welches Talent man verloren hatte, machte vor allem das Preisträgerstück von 1913, die Kantate Faust et Hélène, deutlich, die zwischen Wagner und dem französischen Impressionismus vermittelt. Desweiteren arbeitete Lili an einer Oper nach einem Stoff von Maeterlinck (La Princesse Maleine), und hegte eine besondere Vorliebe für das Lied und die geistliche Chormusik (Pie Jesus). Ihr instrumentales Schaffen ist dagegen schmal geblieben; es umfaßt in der Kammermusik nur sechs Werke, die zwischen 1911 und 1918 entstanden. Wie die meisten dieser Stücke ist auch das Nocturne für Flöte und Klavier (bzw. Harfe) eine Natur-Darstellung im Stil des Impressionismus, aber mit unverwechselbarer Eigenart.