Visions de l'Amen | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Olivier Messiaen

Visions de l'Amen

Visions de l’Amen

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 4063

Satzbezeichnungen

1. Amen de la Création

2. Amen des étoiles, de la planète à l’anneau

3. Amen de l’agonie de Jésus

Erläuterungen

1999
OLIVIER MESSIAEN Visions de l’Amen
Der französische Komponist, den man in Deutschland hauptsächlich als Orgelmeister oder als Sinfoniker kennt, hat auch eine Reihe bedeutender Klavierwerke geschrieben. Unter ihnen ragen die 1943 komponierten “Visionen des Amen” für zwei Klaviere durch ihre religiöse Symbolik hervor.
Für Messiaen war das Amen mehr als nur der rituelle Abschluß eines Gebets:
“Das Amen offenbart vier verschiedene Bedeutungen:
Amen – es sei! Der Schöpfungsakt.
Amen – ich unterwerfe mich, ich akzeptiere. Dein Wille geschehe!
Amen, der Wunsch, die Sehnsucht nach Vereinigung.
Amen, es ist, alles ist für immer fixiert, vollendet im Paradies.
Ich habe versucht, diese so verschiedenen Reichtümer des Amen in sieben musikalischen Visionen auszudrücken – und damit zusammenhängend das Leben der Kreaturen, die allein durch das Schicksal ihrer Existenz schon ‘Amen’ sagen.”
Die sieben Stücke werden durch ein zyklisches Thema, das Thema der Schöpfung, verbunden, eine Art großen Choral in vier Phrasen, von denen wiederum jede aus vier Perioden besteht. Es wird im ersten Stück vorgestellt und am Ende des dritten wiederaufgegriffen. Wie eine Brücke wirkt ferner die Tonart A-Dur, mit der Messiaen die Farbe “blau” assoziierte, die ebenfalls im ersten Stück dominiert.
Äußerst differenziert sind die beiden Klaviere behandelt: “Dem ersten Klavier habe ich die rhythmischen Schwierigkeiten anvertraut, die Akkord-Trauben, alles, was Schnelligkeit, Charme und Klangfarbe betrifft. Das zweite Klavier übernimmt die melodische Führung, die thematischen Elemente, alles, was Emotion und Kraft ausstrahlt.” (Messiaen)
Jedes der Stücke bezieht sich auf eine konkrete Stelle in der Heiligen Schrift, die symbolisch ausgedeutet wird. Es sind:
1. Das Schöpfungs-Amen (Amen de la Création):
“Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht.”
In einem gewaltigen Crescendo wird aus dem nebulösen Anfang heraus allmählich das Thema der Schöpfung entwickelt und unter Glockenklängen bis zu gewaltiger Größe gesteigert.
2. Amen der Sterne, des Planetenkranzes (Amen des Ètoiles, de la Planète à l’Anneau):
“Gott ruft sie, und sie sprechen: Amen hier sind wir!”
Ein dionysischer Tanz über ein fünftöniges Thema, das im zweiten Klavier vorgestellt und in drei großen Durchführungen entwickelt wird.
3. Amen von Jesu Leiden in Gethsemane (Amen de l’Agonie de Jésus):
“Mein Vater, ist’s nicht möglich, daß dieser Kelch von mir gehe, ich trinke ihn denn, so geschehe dein Wille!”
In der Form einer Triade (Strophe, Antistrophe, Epode) werden vier Themen entwickelt, die die Momente des Gebets in Gethsemane repräsentieren: den Fluch Gott Vaters über die Sünden der Welt, die Jesus in diesem Moment trägt; den Schmerzensschrei des Sohnes; einen Moment von Trost (ein Zitat aus Mussorgskys Boris Godunov) und endlich den unausgesetzten, immer dissonanter werdenden Klagegesang von Jesus. Nach einer schier unerträglichen Verdichtung des Materials erscheint endlich als Katharsis das Thema der Schöpfung: “Die Leiden Christi schenken uns die Gnade und erschaffen einen neuen Menschen.” (Messiaen)