Trio für Klavier d-Moll, op. 15
Werkverzeichnisnummer: 4037
1. Allegro con fuoco
2. Andante
3. Scherzo. Allegro – Trio
4. Finale. Allegro molto
1999
LOUISE ADOLPHA LE BEAU
Klaviertrio d-Moll, op. 15
“Fahren Sie nur so fort; das ist heutzutage selten – denn jetzt schämen sich die Leute ja, wenn ihnen eine Melodie einfällt!” Diesen Satz, der an die Diskussionen um die Neue Musik unserer Tage erinnert, schrieb Franz Lachner der jungen Louise le Beau gewissermaßen ins Stammbuch, nachdem er ihr d-Moll-Klaviertrio gehört hatte. Die aus Rastatt stammende Komponistin hatte zunächst bei Clara Schumann in Baden-Baden studiert und sich dann 1874 als Schülerin von Rheinberger in München niedergelassen, wo sie bis 1885 lebte. In diesem, Jahrzehnt entstanden ihre bedeutendsten und erfolgreichsten Werke: neben dem Klaviertrio, op. 15, die Fantasie für Klavier und Orchester, op. 25, das Oratorium Ruth und diverse Stücke für Viola bzw. Violoncello und Klavier. Als sie für die letzteren den ersten Preis eines internationalen Kompositionswettbewerbs gewann, waren die Organisatoren auf diesen Schritt sichtlich unvorbereitet, wie die Komponistin in ihren Memoiren erzählt: “Recht komisch nahm es sich aus, daß in den mitfolgenden Zetteln überall ‘Herrn’ vorgedruckt war, welches nun durchgestrichen und durch ‘Fräulein’ ersetzt wurde.”
“Fräulein” le Beau sorgte in den 1880er Jahren auch in anderen Musikmetropolen für Aufsehen, so in Baden-Baden, wo ihr der Kritiker Richard Pohl “männlich ernsten Geist … verbunden mit feiner Empfindung für Formen- und Klangschönheit” attestierte, vor allem aber in Wien. Hier gelang es ihr, den Kritikerpapst Eduard Hanslick von ihrer Musik wenigstens teilweise zu überzeugen: “Überall symmetrische Verhältnisse, gesunde Harmonie und Modulation, korrekt und selbständig einherschreitende Bässe, wie man sie bei einer Dame kaum vermuten würde. Einer kühnen Wendung oder überhaupt einer überraschenden Episode wird man bei dieser Dame kaum begegnen, und ist sie einmal in eine entfernte Modulation geraten, so überlegt sie, echt weiblich, … wie sie am schnellsten wieder nach Hause findet. Die großen Formen der Kammermusik, welche Fräulein le Beau als die erste ihres Geschlechts kultiviert, erzwingen unsern Respekt …, rechtfertigen aber auch manche Besorgnis. Denn sie bringen eine nicht reiche Erfindungskraft notwendig in Gefahr, breit und redselig zu werden …”.
Hanslicks Wort von den “symmetrischen Verhältnissen” bestätigt das d-Moll-Klaviertrio in jedem Satz, und es entkräftet zugleich manchen seiner Kritikpunkte. Der Kopfsatz mit seinen wirkungsvoll kontrastierenden Themen und der ökonomisch gestalteten Durchführung ist ein Musterbeispiel für einen spätromantischen Sonatensatz, ohne jemals “redselig” zu werden. Die selbständige Führung der Bässe (linke Hand und Cello) ist in der Tat auffällig.
Das Andante mit seinem schlichten B-Dur-Hauptthema zeugt nicht nur von einer beachtlichen melodischen Erfindungskraft, sondern auch von dem Mut zu ungewöhnlichen Modulationen, besonders im Ges-Dur-Seitenthema. Während das Scherzo le Beaus Geschick in Tanzformen unterstreicht und im Trio Fin de siècle-Stimmung verbreitet, beginnt das Finale mit einer veritablen vierstimmigen Fuge – Zeugnis der ausgiebigen Kontrapunktstudien bei Rheinberger. Allmählich macht der Kontrapunkt einer kantablen Melodik Platz, die in einer Stretta gipfelt und ganz am Ende sogar noch einmal das Hauptthema des ersten Satzes zitiert. Allein dieser wirkungsvolle Schluß bezeugt, in welchem Maße Louise le Beau die spätromantischen Techniken und Formen beherrschte.
Daß sie sich in ihren späteren Jahren in Wiesbaden (1885-1890), Berlin (1890-1893) und Baden-Baden (1893-1927) zunehmend von der Außenwelt isolierte und in eine teilweise selbstverschuldete Verbitterung zurückzog, ist ihren Münchner Werken noch nicht anzuhören. Ihre Lebenserinnerungen einer Komponistin, 1910 in Baden-Baden publiziert, gewähren eindrucksvolle Einblicke in Leben und Persönlichkeit.