Trio für Klarinette, Violoncello und Klavier, op. 29
Werkverzeichnisnummer: 4008
1. Ouverture. Modéré
2. Divertissement. Vif et animé
3. Chant élégiaquie. Lent
4. Finale. Animé
2000
VINCENT D’INDY Klarinettentrio, op. 29
Als Virtuosen würde man ihn nicht auf Anhieb ansprechen: der aus altem französischen Adel stammende Vincent d’Indy hatte es zeitlebens nicht nötig, die aufreibende Karriere eines reisenden Virtuosen einzuschlagen, die für ein Kind armer Eltern wie Niccolò Paganini im 19. Jahrhundert der einzige Weg zu musikalischem Ruhm war. D’Indys materielle Verhältnisse gestatteten es ihm, sich ganz auf das Komponieren zu konzentrieren und den Virtuosen sozusagen nur zum Zeitvertreib, übrigens auf den verschiedensten Instrumenten, hervorzukehren. Dennoch muss er als junger Pianist im Paris der 1880-er Jahre eine beeindruckende Interpretenpersönlichkeit gewesen sein, urteilt man nach dem Trio für Klarinette, Cello und Klavier, das er sich als “Cheval de bataille” 1887 auf den Leib schrieb und auch später noch gerne vortrug.
Neben der hochvirtuosen Klavierstimme, die im Finale geradezu Webersche Brillanz erreicht, erscheint auch die Klangkombination Klarinette-Cello kongenial gelöst, da d’Indy beide Instrumente selbst spielte. Mal bewegt sich die Klarinette in strahlender hoher Lage, die auch kesse Züge annehmen kann wie im Finalthema, mal vereinigt sie sich mit dem Cello zum Unisono, dunkel leuchtend etwa in der Reprise des Hauptthemas im herrlichen langsamen Satz.
Auch formal ging der junge d’Indy hier selbstbewusst eigene Wege, die nur insofern von seinem Lehrer César Franck inspiriert waren, als allen vier Sätzen ein zyklisches Thema zugrundeliegt. Es wird in der einleitenden Ouverture von der Klarinette vorgestellt und durchzieht das ganze Stück bis hin zur leuchtenden Apotheose im Cello über irisierenden Klavierarpeggi auf dem Höhepunkt des Finales. Dazwischen stehen: ein formal komplexer Kopfsatz, besagte Ouverture, die neben dem Hauptthema in der Klarinette und einer Art “Leitmotiv” im Cello ein drittes Thema im 7/8-Takt einführt; ein Divertissement, in dem das zyklische Thema in Staccati der Klarinette und Glissando-Pizzicati des Cellos verwandelt wird, mit zwei Intermezzi, von denen das erste Debussy vorwegnimmt; einen herrlichen langsamen Satz von ganz eigener lyrischer Qualität, in dem über archaischen Klavierakkorden zunächst die Klarinette ihr sehnsüchtiges Thema singt, dann in 12/8-Bewegung das Cello sein barcarolehaftes zweites Thema, bis beide Metren und Themen vereinigt werden und beide Instrumente über Klavierarpeggi das erste Thema in einen “franckschen” Choral verwandeln.
Das Finale könnte in seinen zerklüfteten Episoden, die sich um das kapriziöse Hauptthema gruppieren, fast schon vom jungen Richard Strauss komponiert sein. Der Schluss ist, unter Rückgriff auf das zyklische Thema, angemessen brillant.