Klaviertrio H-Dur, op. 8 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Johannes Brahms

Klaviertrio H-Dur, op. 8

Trio Nr. 1 H-Dur für Violine, Violoncello und Klavier, op. 8 (rev. Fassung von 1889)

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 395

Satzbezeichnungen

1. Allegro con brio

2. Scherzo. Allegro molto ? Trio. Meno allegro

3. Adagio

4. Finale. Allegro

Erläuterungen

Das H-Dur-Trio, op. 8, von Johannes Brahms ist zugleich das früheste und späteste Klaviertrio des Komponisten. Es liegt in zwei völlig verschiedenen Fassungen aus den Jahren 1854 und 1889 vor, wobei heute im allgemeinen die Spätfassung als das “Opus 8” von Brahms gilt. Die Art und Weise, in der der 53jährige Brahms sein eigenes Frühwerk durch radikale Eingriffe veränderte, gehört zu den wenigen Fällen schrankenlos offener Selbstkritik eines großen Künstlers. “Im ganzen ist das neue H-dur-Trio ein unvergleichliches Zeugnis für seine künstlerische Offenherzigkeit und Ehrlichkeit, mit der er nicht nur bekennt, sondern uns geraden Weges zeigt, was er in seiner Jugend nicht recht gemacht hat,” schrieb der Brahms-Freund Eusebius Mandyczewski, Bibliothekar der Musikfreunde in Wien.

Brahms vollendete das Trio in der Urfassung im Januar 1854, drei Monate nach seiner ersten Begegnung mit Robert Schumann in Düsseldorf und unter den Auspizien der Künstlerfreundschaft mit seinem Mentor. Schumann war es, der den 20jährigen zur Herausgabe seiner ersten zehn Opera drängte, darunter das Opus 8 als erstes publiziertes Kammermusikwerk. (Eine a-Moll-Violinsonate, ein h-Moll-Streichquartett und eine d-Moll-Fantasie für Klaviertrio gab Brahms damals nicht zur Publikation frei.) In späteren Jahren wurde Brahms seiner “geschwätzigen” Frühwerke rasch überdrüssig, konnte sich jedoch nur im Falle des Opus 8 zu einer Revision entschließen. Diese nahm er 1889 vor, nachdem er in der Aufführungspraxis bereits früher auf Kürzungen des allzu umständlichen Jugendwerkes bestanden hatte.

Wie immer in solchen Fällen verbarg Brahms nach abgeschlossener Revision den Stolz auf die gelungene Arbeit hinter lakonisch-maliziösen Bemerkungen. An seinen Verleger Fritz Simrock schrieb er: “Wegen des verneuerten Trios muß ich noch ausdrücklich sagen, daß das alte zwar schlecht ist, ich aber nicht behaupte, das neue sei gut! Was Sie mit dem alten anfangen, ob Sie es einschmelzen oder auch neu drucken, ist mir, im Ernst, ganz einerlei. Es wäre übrigens auch unnütz, darin etwas zu wollen. Ich meine nur, daß das alte sich fortdauernd schlecht verkaufen wird, nicht des vielen Häßlichen wegen, sondern der vielen unnützen Schwierigkeiten drin.”

Simrock hat fortan nur noch das “verneuerte Trio” als Opus 8 gedruckt, wobei es Brahms natürlich alles andere als einerlei war, welche Fassung unter die Leute kam. Denn das “verneuerte Trio” war ein ästhetisches Manifest für die Prinzipien seiner Kunst: höchste Verdichtung statt romantischen Überschwangs, motivische Arbeit statt flächiger Ausbreitung der Melodien, Melancholie des Alters statt Sturm und Drang. Wie Brahms diese Elemente seines Reifestils an den herrlichen Themen seines Frühwerks entwickelte, grenzt an ein Wunder. An Clara Schumann schrieb er aus Bad Ischl: “Ich habe mein H-Dur Trio noch einmal geschrieben und kann es Op. 108 statt Op. 8 nennen.” Es blieb dann aber doch bei der ursprünglichen Opuszahl, unter der sich die spätere Fassung, wie Brahms prophezeit hatte, allmählich durchsetzte.

Die Erfahrung von 35 Jahren und 100 Opera zwischen 1854 und 1889 schlägt sich in zahllosen Details der Spätfassung nieder. Sie zeugen von Straffung der Form, Verdichtung der thematischen Arbeit und Ausräumung der “unnützen Schwierigkeiten”. Nicht alle Brahms-Freunde waren von dem Ergebnis spontan überzeugt. Elisabet von Herzogenberg, die Ehefrau des Grazer Komponisten Heinrich von Herzogenberg, bedauerte das Nebeneinander von Alt und Neu in dem “verneuerten Trio” und vermisste die jugendliche Frische des Originals.

Der erste Satz beginnt mit dem originalen Hauptthema, einer der genialsten melodischen Eingebungen des jungen Brahms. Der weite Bogen des Themas, das sich wie in konzentrischen Kreisen entfaltet, die Harmonisierung in Sextparallelen und der wundervolle Klang machen diesen Anfang zum archetypischen Brahmsthema in der Kammermusik schlechthin. Allerdings entfernte Brahms 1889 einige Einwürfe der Violine, die er 1854 seinem Freund Joseph Joachim zuliebe angebracht hatte. Der berühmte Geiger hasste es, in einem Kammermusikstück zu lange auf seinen Einsatz warten zu müssen. 1889 nahm Brahms auf solche Eitelkeit keine Rücksicht mehr! Der entscheidende Bruch des Satzes, den man freilich nicht als solchen hört, ereignet sich nach dem grandiosen Aufschwung des ersten Themas. Brahms hat die Überleitungsgruppe wie auch das zweite Thema völlig neu konzipiert. Die sukzessive Verdichtung der Motive durch Kontrapunkt und synkopische Rhythmen ist brahmsscher Spätstil in Reinform. Bedingt durch die radikale Umformung dieser Teile gehen auch Durchführung, Reprise und Coda gänzlich neue Wege. So ersetzte Brahms etwa ein allzu barockes Fugato in der Durchführung durch eine schwärmerische Mollvariante des Hauptthemas, an die sich dichteste motivische Arbeit anschließt. Unmissverständlich tritt in solchen Momenten die Melancholie des Alters an die Stelle des naiven Überschwangs der Jugend.

Die Meisterschaft des jungen Brahms im Genre des Scherzos hatte selbst vor dem hyperkritischen Auge des Altmeisters Bestand: den zweiten Satz ließ Brahms fast unverändert. Sein Thema mutet wie ein Nachhall der Kreisleriana von Robert Schumann an, zugleich greift es das Hauptthema des Kopfsatzes auf und verwandelt es “in eine Art Schattenriss” (Mathias Hansen). Der Duktus des geisterhaft dahinjagenden Kreisleriana-Stücks ruft die Gestalt des Kapellmeisters Kreisler ins Gedächtnis, jener skurrilen Romanfigur E.T.A.Hoffmanns, mit der sich der 20jährige Brahms so sehr identifizierte, dass er seine Stücke mit Kreisler junior signierte. Der reife Brahms hat diese Seite seiner Jugend nicht verleugnet, wie überhaupt noch zu untersuchen wäre, inwiefern sich die Bearbeitung seines Opus 8 auch als Autobiographie in Tönen verstehen ließe, als “Mémoires” eines “grand artiste” an seine eigene Jugend.

Eine ähnlich romantische Ausdruckswelt wie das skurrile Scherzo beschört der Beginn des Adagio herauf – mit seinem religioso-Duktus und dem bis zur äußersten Ruhe gedehnten Wechselspiel zwischen Klavier und Streichern. Auch dieser Beginn stammt vom frühen Brahms, und auch hier fängt die Umarbeitung beim Seitenthema an. An die Stelle einer fast tongetreu von Schubert übernommenen Melodie tritt nun “ein neuer, ganz Brahms angehöriger, breiter melodischer Gedanke in gis-Moll, den das Violoncell einführt” (Mandyczewski).

Das Finale, wieder ab dem Seitenthema verändert, ist “eigenwillig geformt. Seinem in engen Intervallen kreisenden Thema folgt ein zweites in D-Dur, dessen weiträumige, dreiklangsmäßige Anlage einen kräftigen Kontrast erzielt” (Hansen). Die Durchführung gipfelt in der Apotheose des zweiten, die Coda in der des ersten Themas.

2003:

JOHANNES BRAHMS
Trio H-Dur, op. 8

Das H-Dur-Trio, op. 8, von Johannes Brahms ist zugleich das früheste und späteste Klaviertrio des Komponisten. Es liegt in zwei völlig verschiedenen Fassungen aus den Jahren 1854 und 1889 vor, wobei heute im allgemeinen die Spätfassung als das “Opus 8” von Brahms gilt. Die Art und Weise, in der der 53jährige sein eigenes Frühwerk durch radikale Eingriffe veränderte, zeugt von schrankenlos offener Selbstkritik. “Im ganzen ist das neue H-dur-Trio ein unvergleichliches Zeugnis für seine künstlerische Offenherzigkeit und Ehrlichkeit, mit der er nicht nur bekennt, sondern uns geraden Weges zeigt, was er in seiner Jugend nicht recht gemacht hat,” schrieb der Brahms-Freund Eusebius Mandyczewski, Bibliothekar der Musikfreunde in Wien.

Brahms vollendete das Trio in der Urfassung im Januar 1854, drei Monate nach seiner ersten Begegnung mit Robert Schumann in Düsseldorf und unter den Auspizien der Künstlerfreundschaft mit seinem Mentor. Schumann war es, der den 20jährigen zur Herausgabe seiner ersten zehn Opera drängte, darunter das Opus 8 als erstes Kammermusikwerk. (Eine frühe a-Moll-Violinsonate, ein h-Moll-Streichquartett und eine d-Moll-Fantasie für Klaviertrio gab Brahms nicht zur Publikation frei.) In späteren Jahren wurde Brahms seiner “geschwätzigen” Frühwerke überdrüssig, konnte sich jedoch nur im Falle des Opus 8 zu einer Revision entschließen. Diese nahm er 1889 vor, nachdem er in der Aufführungspraxis bereits früher auf Kürzungen des allzu umständlichen Jugendwerkes bestanden hatte.
Nach abgeschlossener Revision verbarg Brahms wie so oft den Stolz auf die gelungene Arbeit hinter lakonisch-maliziösen Bemerkungen. An seinen Verleger Fritz Simrock schrieb er: “Wegen des verneuerten Trios muß ich noch ausdrücklich sagen, daß das alte zwar schlecht ist, ich aber nicht behaupte, das neue sei gut! Was Sie mit dem alten anfangen, ob Sie es einschmelzen oder auch neu drucken, ist mir, im Ernst, ganz einerlei. Es wäre übrigens auch unnütz, darin etwas zu wollen. Ich meine nur, daß das alte sich fortdauernd schlecht verkaufen wird, nicht des vielen Häßlichen wegen, sondern der vielen unnützen Schwierigkeiten drin.”

Simrock druckte nur noch das neue Opus 8, wobei es Brahms natürlich alles andere als einerlei war, welche Fassung unter die Leute kam. Denn das “verneuerte Trio” war ein Manifest seiner Kunst: höchste Verdichtung statt romantischen Überschwangs, motivische Arbeit statt flächiger Ausbreitung der Themen, Melancholie statt Sturm und Drang. Wie Brahms diese Elemente seines Reifestils an den herrlichen Themen seines Frühwerks entwickelte, grenzt an ein Wunder. An Clara Schumann schrieb er: “Ich habe mein H-Dur Trio noch einmal geschrieben und kann es Op. 108 statt Op. 8 nennen.”
Der erste Satz beginnt mit dem originalen Hauptthema, einer der genialsten melodischen Eingebungen des jungen Brahms. Der weite Bogen des Themas, das sich wie in konzentrischen Kreisen entfaltet, und der wundervolle Klang in parallelen Sexten machen diesen Anfang zum archetypischen Brahmsthema. Allerdings entfernte Brahms 1889 einige Einwürfe der Violine, die er 1854 seinem Freund Joseph Joachim zuliebe angebracht hatte. Der berühmte Geiger hasste es, in einem Kammermusikstück zu lange auf seinen Einsatz warten zu müssen. 1889 nahm Brahms auf solche Eitelkeit keine Rücksicht mehr! Der entscheidende Bruch des Satzes, den man freilich nicht hört, ereignet sich nach dem grandiosen Aufschwung des ersten Themas. Überleitungsgruppe und zweites Thema wurden völlig neu konzipiert. Die sukzessive Verdichtung der Motive ist brahmsscher Spätstil in Reinform. Bedingt durch die radikale Umformung dieser Teile gehen auch Durchführung, Reprise und Coda gänzlich neue Wege. So ersetzte Brahms etwa ein allzu barockes Fugato in der Durchführung durch eine schwärmerische Mollvariante des Hauptthemas. Unmissverständlich tritt in solchen Momenten die Melancholie des Alters an die Stelle des naiven Überschwangs der Jugend.
Die Meisterschaft des jungen Brahms im Genre des Scherzos hatte selbst vor dem hyperkritischen Auge des Altmeisters Bestand: den zweiten Satz ließ Brahms fast unverändert. Sein Thema mutet wie ein Nachhall der Kreisleriana von Robert Schumann an, zugleich greift es das Hauptthema des Kopfsatzes auf und verwandelt es “in eine Art Schattenriss” (Mathias Hansen). Der Duktus des geisterhaft dahinjagenden Stücks ruft die Gestalt des Kapellmeisters Kreisler ins Gedächtnis, jener Romanfigur E.T.A.Hoffmanns, mit der sich der 20jährige Brahms so sehr identifizierte, dass er seine Stücke mit Kreisler junior signierte. Der reife Brahms hat diese Seite seiner Jugend nicht verleugnet, wie überhaupt noch zu untersuchen wäre, inwiefern sich die Bearbeitung seines Opus 8 auch als Autobiographie in Tönen verstehen ließe, als Memoiren eines Künstlers an seine eigene Jugend.

Eine ähnlich romantische Ausdruckswelt wie das skurrile Scherzo beschwört der Beginn des Adagio herauf – mit seinem religioso-Duktus und dem bis zur äußersten Ruhe gedehnten Wechselspiel zwischen Klavier und Streichern. Auch dieser Beginn stammt vom jungen Brahms, und auch hier fängt die Umarbeitung beim Seitenthema an. An die Stelle einer Schubertschen Melodie tritt nun “ein neuer, ganz Brahms angehöriger, breiter melodischer Gedanke in gis-Moll, den das Violoncell einführt” (Mandyczewski).

Das Finale, wieder ab dem Seiten-thema verändert, ist “eigenwillig geformt. Seinem in engen Intervallen kreisenden Thema folgt ein zweites in D-Dur, dessen weiträumige, dreiklangsmäßige Anlage einen kräftigen Kontrast erzielt” (Hansen). Die Durchführung gipfelt in der Apotheose des zweiten, die Coda in der des ersten Themas.
(Karl Böhmer)

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“Dr. Schumann betreibt meine Sachen bei Breitkopf & Härtel so ernstlich und so dringend, daß mir schwindlig wird. Er meint, ich müsse vielleicht in sechs Tagen die ersten Werke hinschicken… Ich weiß mich gar nicht zu fassen.” Ratlos reagierte der 20-jährige Johannes Brahms auf seine “Entdeckung” durch Robert Schumann im Herbst 1853. Am 30.9. hatte sich der geniale Musiker im Haus der Schumanns in Düsseldorf vorgestellt. “Das ist wieder einmal einer, der kommt wie eigens von Gott gesandt!” notierte Clara Schumann in ihr Tagebuch, und ihr Mann Robert schrieb unter dem Eindruck der ersten Begegnung jenen Artikel Neue Bahnen, in dem er das junge Genie Brahms der Welt vorstellte. Der Ältere schilderte den Jüngeren bewundernd als “ein junges Blut, an dessen Wiege Helden und Grazien Wache hielten. Er … kam von Hamburg, dort in dunkler Stille schaffend… Er trug, auch im Äußeren, alle Anzeichen an sich, die uns ankündigten: das ist ein Berufener.” Auf solche Art annonciert, wurde Brahms als “Schumanns Messias” auf einen Schlag zum Begriff. Für den schüchternen, noch sehr jugendlichen Hanseaten war es ein belastendes Unterfangen, dem von Schumann vorgegebenen Anspruch gerecht zu werden. Hastig publizierte er innerhalb eines Jahres zehn Opera von Werken. Bei Brahms’ notorischer Selbstkritik war es nur eine Frage der Zeit, bis ihm diese Erstlingswerke künstlerisch nicht mehr genügten. Sein unbarmherziges Urteil machte auch vor Revisionen nicht halt. Diesem Umstand verdanken wir die beiden Fassungen des H-Dur-Trios, op. 8.

Brahms komponierte sein erstes viersätziges Klaviertrio im Januar 1854, ein Jahr nach dem frühen Versuch einer zweisätzigen Fantasie in d-Moll für diese Besetzung. Heute ist Opus 8 neben dem Scherzo der “FAE-Sonate” das einzige erhaltene Kammermusikwerk aus der Frühzeit. Die d-Moll-Fantasie für Klaviertrio, ein h-Moll-Streichquartett, das Schumann bewunderte, und eine als Opus 5 geplante a-Moll-Violinsonate hat er später eigenhändig vernichtet. So bleibt uns nur das H-Dur-Trio als authentisches Zeugnis für den frühen Kammermusik-Meister Brahms.

Noch über 30 Jahre nach seiner Entstehung hingen seine engsten Freunde wie Clara Schumann oder die Herzogenbergs mit ganzem Herzen an diesem frühen Trio, so dass sie eher unangenehm berührt waren, als Brahms ihnen 1889 eröffnete, er werde es anlässlich einer notwendigen Neuauflage grundlegend überarbeiten, weil er es für ein allzu ungeschicktes Jugendwerk halte. Als ihnen dann 1890 diese überarbeitete Fassung ins Haus flatterte, konnten sie sich nur schwer damit anfreunden, so groß war noch immer der Zauber des originalen Opus 8.

Brahms selbst meinte über die beiden Fassungen an Clara Schumann: “Ich habe mein H-Dur Trio noch einmal geschrieben und kann es Op. 108 statt Op. 8 nennen.” Seinen Verleger Fritz Simrock ließ er wissen: “Wegen des verneuerten Trios muß ich noch ausdrücklich sagen, daß das alte zwar schlecht ist, ich aber nicht behaupte, das neue sei gut! Was Sie mit dem alten anfangen, ob Sie es einschmelzen oder auch neu drucken, ist mir, im Ernst, ganz einerlei… Ich meine nur, daß das alte sich fortdauernd schlecht verkaufen wird, nicht des vielen Häßlichen wegen, sondern der vielen unnützen Schwierigkeiten drin.” Es blieb dann aber doch beim Nebeneinander beider Fassungen unter einer Opuszahl.
Die Erfahrung von 100 Opera zwischen 1854 und 1889 schlägt sich in zahllosen Details der Spätfassung nieder. Sie zeugen von Straffung der Form, Verdichtung der thematischen Arbeit und Ausräumung “unnützer Schwierigkeiten”. “Im ganzen ist das neue H-dur-Trio ein unvergleichliches Zeugnis für seine künstlerische Offenherzigkeit und Ehrlichkeit, mit der er nicht nur bekennt, sondern uns geraden Weges zeigt, was er in seiner Jugend nicht recht gemacht hat,” schrieb der Brahms-Freund Eusebius Mandyczewski. Elisabet von Herzogenberg dagegen bedauerte das Nebeneinander von Altem und Neuem in dem “verneuerten Trio” und vermisste die jugendliche Frische des Originals.

110 Jahre nach dem Erscheinen der Überarbeitung haben wir dieses Problem nicht mehr. Die Spätfassung hat die ursprüngliche aus dem Konzertsaal verdrängt, so dass wir mit den eingängigen Themen des Opus 8 stets deren Verarbeitung durch den reifen Brahms assoziieren, nicht die umständlichere Manier des 20jährigen. Nach mehreren Villa Musica-Konzerten mit der Urfassung im vergangenen Winter kehren auch wir gerne zur gängigen Spätfassung zurück. Sie zu hören, bedeutet dennoch, den frühen Brahms mitzureflektieren, denn die Übergänge zwischen den originalen Themen von 1854 und ihrer späteren Verarbeitung von 1889, so unmerklich sie auch sein mögen, ziehen uns in ihren Bann. Der Reiz der Spätfassung liegt gerade im unausgesprochenen Nebeneinander von Früh- und Spätstil.

Der erste Satz beginnt in beiden Fassungen mit dem herrlichen Hauptthema, der genialsten melodischen Eingebung des frühen Brahms. Der weite Bogen des Themas, das sich wie in konzentrischen Kreisen entfaltet, die Harmonisierung in Sextparallelen und der wundervolle Klang machen diesen Anfang zu einem “Locus classicus” von Kammermusik überhaupt. Allerdings entfernte Brahms 1889 einige Einwürfe der Violine, die er 1854 seinem Freund Joseph Joachim zuliebe angebracht hatte. Der berühmte Geiger hasste es, in einem Kammermusikstück zu lange auf seinen Einsatz warten zu müssen! 1889 nahm Brahms auf solche Solisteneitelkeit keine Rücksicht mehr. Der entscheidende Bruch des Satzes ereignet sich nach dem grandiosen Aufschwung des ersten Themas. Wie Sir Donald Torvey bemerkte, wusste der frühe Brahms offenbar nicht, wie er den langen Atem dieses in sich ruhenden Themas in der Überleitung in solche Rhythmen transformieren sollte, die dem Satz den Impuls zum Weitermachen geben. Der späte Brahms wusste es und hat die Überleitungsgruppe wie auch das zweite Thema völlig neu konzipiert. Die sukzessive Verdichtung einfachster Motivbausteine durch Kontrapunkt und synkopische Rhythmen ist brahmsscher Spätstil in Reinform. Bedingt durch die radikale Umformung dieser Teile gehen auch Durchführung, Reprise und Coda gänzlich andere Wege als in der Frühfassung. So ersetzte Brahms etwa ein barockes Fugato durch eine schwärmerische Mollvariante des Themas.

Den zweiten Satz ließ der Komponist fast unangetastet ? die Meisterschaft des jungen Brahms im Genre des Scherzos musste selbst der hyperkritische Altmeister anerkennen. Sein h-Moll-Thema wirkt wie ein Nachhall der Kreisleriana von Schumann, schließt aber auch deutlich hörbar an den ersten Satz an: “Das schwärmerisch-impulsive Hauptthema des Kopfsatzes verwandelt sich im Scherzo in eine Art Schattenriss, dessen dahinjagende Konturen das versonnene Trio nur leicht aufzuhellen vermag.” (Mathias Hansen) Ebenso geht das Hauptthema des dritten Satzes, Adagio, auf den ersten Satz zurück. Es “greift nur einen Teil des eröffnenden Themas auf und taucht es in ein choralartig klingendes Wechselspiel von Klavier und Streichern” (Hansen). Die Umarbeitung fängt auch hier beim Seitensatz an. “Mochte das ursprüngliche Seitenthema wegen seiner auffallenden Ähnlichkeit mit Schuberts Lied Am Meer oder wegen anderer Eigenschaften die strengere Prüfung nicht mehr bestanden haben: an seiner Stelle ist ein neuer, ganz Brahms angehöriger, breiter melodischer Gedanke in gis-Moll getreten, den das Violoncell einführt.” (Mandyczewski) Außerdem hat Brahms eine schnelle Episode des Originals gestrichen.

Das Finale, wieder ab dem Seitenthema verändert, ist “eigenwillig geformt. Seinem in engen Intervallen kreisenden Thema folgt ein zweites in D-Dur, dessen weiträumige, dreiklangsmäßige Anlage einen kräftigen Kontrast erzielt.” (Hansen) Die Durchführung gipfelt in der Apotheose des zweiten, die Coda in der des ersten Themas.