"Aria Antigua" | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Joaquín Rodrigo

"Aria Antigua"

„Aria Antigua“ für Flöte und Gitarre (1960)

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 3900

Satzbezeichnungen

Erläuterungen

2000
JOAQUIN RODRIGO
Aria antigua, Serenata al alba

Liebenswert und sentimental könnte man auch die beiden Duos von Joaquìn Rodrigo für Flöte und Gitarre nennen. Das eine, Aria antigua, ist eine Arie im alten Stil, ein Genre, dem wir auch den Mittelsatz des Concierto di Aranjuez verdanken. Rodrigo orientierte sich gerne am heroischen Tonfall und dem barocken Pathos der großen Zeit Spaniens, die er in seinen Werken ins 20. Jahrhundert hinüberrettete. Sein zweites Gitarrenkonzert, die Fantasia para un gentilhombre, die „Fantasie für einen Edelmann“, geht auf Themen des spanischen Barockmeisters Gaspar Santz zurück. Aus diesem Geist der Santz und Scarlatti ist auch die Aria antigua entworfen. Sie wurde in der Urfassung für Flöte und Klavier schon 1959 uraufgeführt. Die Fassung mit Gitarrenbegleitung folgte 1994.

Auch das zweite kurze Stück, Serenata al alba del dia (zu deutsch: Serenade beim Anbruch des Tages), zeigt eine typische Rodrigo-Facette: die fast visuelle Beschwörung der spanischen Landschaft und ihrer Aura. Man hat es als Widerspruch empfunden, dass ausgerechnet ein Komponist, der im Alter von vier Jahren nach einer Diphterie erblindete, in seiner Musik so poetische Bilder für Spaniens Landschaft fand. Die Poesie eines Cervantes und anderer, die Rodrigo in seinen großen Werken verherrlichte, mag dabei als Ersatz gedient haben. Vielleicht ist es aber auch nur unsere eigene Fantasie, die zwischend em spanisch-folkloristischen Klang in der Musik Rodrigos und unseren Erinnerungsbildern von Andalusien die Verbindung herstellt.

Zweifellos war es das Urspanische in Rodrigos Musik, das ihm in seiner Heimat zum lebenslangen Erfolg verhalf. In seiner Position als Lehrer, später Professor in Madrid, als Funktionär und Organisator, last but not least als engagierter Leiter der spanischen Blindenorganisation war er so unangefochten, dass das Ende des Faschismus in seiner Biographie keine Rolle spielte. Rodrigo blieb, der er war, auch unter Juan Carlos, der ihn 1991 in der geschilderten Weise ehrte.

Was den stilistischen Standort seiner Musik anbelangt, muss man, ähnlich wie etwa bei Jean Franaix in Frankreich, konzedieren, dass er sich nach 1950 nicht mehr entwickelt hat. Die einmal gefundene spanisch-französische Synthese blieb sein ureigenster Ton, den er noch variierte, aber nicht mehr ablegte. Der französische Anteil rührt daher, dass Rodrigo 1927-32 bei Paul Dukas in Paris studierte. Das Paris jener Jahre war ein Sammelbecken für Ausländer: De Falla und Rodrigo aus Spanien, Copland, Ginastera und Villa-Lobos aus Amerika, Martinu und Schulhoff aus Tschechien – sie alle gerieten in den Sog der Pariser Zwischenkriegsmusik mit ihrer Mischung aus Klangsinnlichkeit und Nonchalance, Neoklassizismus und Experiment. Mal schlug das Pendel in die eine, mal in die andere Richtung aus, bei Rodrigo in die der neobarocken Nationalmusik. Für Spanien hatte auch dieser Ton neben de Fallas Moderne seine Berechtigung.