Bläserquintett | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Isang Yun

Bläserquintett

Quintett für Bläser (1991) in zwei Sätzen ohne Tempoangaben

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 3887

Satzbezeichnungen

Erläuterungen

2000
ISANG YUN Bläserquintett (1991)

In der Bläsermusik des Koreaners Isang Yun erwartet die Zuhörer eine fremde und irritierende Welt: lange, liegende Klänge in teils extremen Dissonanzen im Wechsel mit schrillen Entladungen, Klangfarben wie Flatterzunge oder Flageolett, kein erkennbarer Verlauf, formloses Strömen. Ihre Wurzeln hat diese moderne Musik in den so ganz anderen Bläsertraditionen Ostasiens.

Die Rolle, die die europäische Kunstmusik den Holzblasinstrumenten zugedachte, durch ihre Kantilene den Gesang nachzuahmen, wird durch eine gänzlich andere ersetzt. In der chinesisch-koreanischen Hofmusik, auf deren Traditionen sich der in Korea geborene Yun besann, gelten außerordentlich differenzierte Formen der Klangerzeugung und Klangfarben, die sich vom Naturlaut und dem Material der Instrumente herleiten. Zugleich folgt die Musik anderen Vorstellungen von Verlauf, wie Yun selbst es beschrieb: „Für das europäische Publikum hat Musik selbstverständlich eine formale Struktur. Die asiatische Musik strömt, sie kommt aus sich selbst und bleibt sich immer gleich. Deshalb habe ich meine Musik als Bewegtheit in der Unbewegtheit definiert. Wenn Sie asiatische Musik hören, so erklingt zwei, drei Stunden lang immer dasselbe. Erst wenn man genau beobachtet, stellt man fest, dass es nie genau dasselbe ist. Immer wird etwas differenziert, verändert.“

Yuns Bläserquintett war ein Auftragswerk für das Schleswig-Holstein-Festival, wo es 1991 vom Albert-Schweitzer-Quintett uraufgeführt wurde.

Um die Spannungen dieser Musik, ihre Dissonanzen, aber auch ihre geistige Dimension zu ermessen, seien einige Worte zu Yuns Biographie angefügt. Er wurde im Westen als politisch Verfolgter bekannt. Bereits im Zweiten Weltkrieg von den Japanern gefoltert, wurde er 1967 von Berlin aus, wo er in der Zwischenzeit lebte, durch den südkoreanischen Geheimdienst nach Seoul verschleppt und dort der Spionage für Nord-Korea angeklagt. Im Gefängnis musste er erneut die Folter ertragen, und nur die massive Intervention der Musikwelt konnte verhindern, dass die lebenslange Freiheitsstrafe, zu der er verurteilt worden war, auch vollstreckt wurde.

Seit 1969 lebte Yun wieder in Berlin, wo er als eine der großen Leitfiguren der östlichen Moderne galt. 1971 erwarb er die deutsche Staatsangehörigkeit. Er lehrte in Hannover sowie 1970-1985 an der Berliner Hochschule der Künste. Kurze Zeit vor seinem Tod 1995 gastierte er in der Villa Musica zu einem Parlando-Abend.