Sonate für Viola und Klavier, op. 147
Werkverzeichnisnummer: 3886
Viola
Klavier
1. Moderato
2. Allegretto
3. Adagio
2000
D. SCHOSTAKOWITSCH Bratschensonate, op. 147
Schon gezeichnet von der Todeskrankheit und unter schwierigsten Bedingungen begann Dmitri Schostakowitsch im Mai 1975, drei Monate vor seinem Tod, mit der Komposition einer Bratschensonate. Wie fast alle seine Kammermusikwerke war sie von der Kunst des Moskauer Beethoven-Quartetts inspiriert, für dessen Bratscher Fjodor Druschinin das Werk entstand. Die Sonate sollte das letzte Werk des Komponisten sein, zugleich “eines seiner intimsten, vergeistigsten”, ein Stück der “autobiographischen Zusammenfassung”, wie es Michael Struck-Schloen genannt. Schon rein äußerlich in der dreisätzigen Form und der Dominanz gemäßigter Tempi, ergibt sich eine Paralelle zur Es-Dur-Sonate von Brahms. Auch in der inneren Faktur, in der abgeklärten Sprache, lassen sich beide Werke vergleichen.
Die Bratsche fungiert in der Schostakowitsch-Sonate als “orphisches Klageinstrument” (Struck-Schloen), ohne jemals in Larmoyanz zu verfallen. Zurückhaltung und linearer Verlauf bleiben bestimmend. So wird der erste Satz von einer Quintenfolge im pizzicato eröffnet, die im folgenden mehrmals wiederkehrt und dabei jeweils einen Formabschnitt eröffnet. Kantilenen der Viola, ein Triolenmotiv als zweiter Gedanke eine Bratschenkadenz kurz vor Schluss bestimmen den heterogenen Verlauf. Der Klaviersatz ist fast überall ausgedünnt bis auf Drei- oder Zweistimmigkeit.
Im scherzoartigen Mittelsatz ist Schostakowitsch noch einmal zum perkussiv hämmernden Duktus seiner Musik der 30-er und 40er-Jahre zurückgekehrt, zu seinem Stil der Groteske. Darauf deuten auch die Zitate aus seiner unvollendeten Oper Die Spieler hin. Harte, schnelle Außenteile umrahmen ein lyrisches Mittelstück.
Das Finale der Sonate gehört zu den ergreifendsten Abschiedsgesängen, die jemals geschrieben wurden, vergleichbar etwa dem Schluss der Klaviersonate op. 111 von Beethoven. Schostakowitsch hat hier einen anderen, nicht minder berühmten Beethovensatz verarbeitet: das Adagio der “Mondscheinsonate”. Dessen Gerüst aus Triolenbewegung und punktiertem Trauermarschmotiv wird vom Klavier in freier Weise zitiert und verfremdet, während sich die Bratsche in weiten Melodiebögen ergeht. Im Mittelteil steigert sich die Bewegung bis zum leidenschaftlichen Solo der Viola, bevor die Coda in C-Dur friedlich schließt. Die ganze Anlage des Satzes wie auch der C-Dur-Schluss sind als Vermächtnis des Komponisten zu verstehen, der diese Takte buchstäblich mit letzter Kraft einen Monat vor seinem Tod niederschrieb.