Trio Es-Dur für Horn, Violine und Klavier, op. 40
Werkverzeichnisnummer: 392
1. Andante – Poco più animato
2. Scherzo. Allegro – Molto meno
3. Adagio mesto
4. Finale. Allegro con brio
Baden-Baden im Sommer 1865: Abseits von den Roulettetischen der feinen Gesellschaft und dem mondänen Flair der Opernaufführungen in der vornehmsten Kurstadt Europas schreibt Johannes Brahms ein Trio für Waldhorn, Violine und Klavier. Der hamburgische Komponist hat sich, wie immer im Sommer, in einer eher bescheidenen Wohnung eingenistet, im Vorort Lichtental nahe am Wald und fern vom Treiben der Kurgäste gelegen. Auf einem seiner geliebten morgendlichen Waldspaziergänge fällt Brahms das Thema zum ersten Satz des Trios ein, eine unscheinbare Melodie, die erst in Sekunden um F kreist und dann immer größere, gleichsam konzentrische Kreise der Melodik bildet. Es ist fast eine Art in Noten übertragener Naturlaut, der sich im Laufe des Satzes blühend entfaltet. Jene Stelle in den lieblichen Ausläufern des Schwarzwalds, wo ihm diese Melodie einfiel, wird Brahms wenig später seinem Freund Albert Dietrich zeigen, der ihn in Lichtental besucht. Brahms scheint der Hinweis auf das Naturerlebnis wichtig zu sein, er scheint signalisieren zu wollen, dass sein Trio nicht bloß abstrakte Kammermusik sei, sondern romantisches Naturerleben widerspiegelt.
Zu den Instrumenten, die Brahms als Kind in Hamburg erlernt hatte, gehörte neben Klavier und Cello auch das Horn; speziell seine Mutter soll sein Hornspiel geliebt haben, was den eben erwähnten biographischen Zusammenhang zwischen dem Tod der Mutter und dem Adagio des Trios stützen würde. Es verwundert nicht, dass Brahms das Horn auch später in seiner Musik immer wieder prominent behandelte. Der Topos des „Rufs“ in der freien Natur, der sich mit dem Horn in der romantischen Musik seit Webers Freischütz verbindet, hatte auch für ihn seine tiefere Bedeutung. Im Finale der Ersten Sinfonie ebenso wie in den frühen Gesängen für Frauenchor, zwei Hörner und Harfe, op. 17, ist es das Horn, das mit einem Rufmotiv oder auch Signal die Welt der romantischen Natur in den Konzertsaal holt. Ähnliches gelang Brahms zu Beginn seines Es-Dur-Trios.
Heinrich Reimann berichtete in seiner populären Brahmsbiographie von 1900 ausführlich über die Eigenart des Werkes und die Vorliebe des Komponisten für das ventillose Waldhorn: „Eine völlig ungeahnte Ueberraschung bot Brahms der musikalischen Welt mit dem Es-dur Trio für CIavier, Violine und Waldhorn (Op. 40, 1865). Dies Trio ist – wenigstens in der ursprünglichsten Form – bereits 1862, als Brahms in Karlsruhe war, vollendet gewesen. Der Componist spricht bereits davon in einem Dezember 1862 aus Basel datirten Briefe an A. Dietrich in Oldenburg: ‚Für einen Quartett-Abend kann ich mit gutem Gewissen mein Horn-Trio empfehlen und Dein Hornist thäte mir einen besonderen Gefallen, wenn er, wie der Karlsruher, einige Wochen das Waldhorn exerzierte, um es darauf blasen zu können.‘ Componirt wurde dies wundervolle und in seiner Art einzige Tonstück gelegentlich eines Aufenthaltes in Baden-Baden. Wie bei der Serenade (A-Dur) so hatte Brahms auch bei diesem Horn-Trio mit glücklicher Hand aus den alten, längst vergessenen Zeiten der Kammermusik herübergerettet, was seinen vom Gewöhnlichen gern abweichenden Absichten dienlich sein konnte. Und doch klingt gerade dieses Werk so originell und modern, dass man vergebens irgend welche greifbare Beziehung, geschweige denn Anlehnung an bereits Dagewesenes suchen würde. Auch der äusseren Form nach ist es, wie z. B. in dem 5theiligen, im Wesentlichen aus einem Hauptsatz und einem Alternativ bestehenden ersten Satze, ganz neu. Von ganz besonderer Eigenart und unendlich tiefer poetischer Empfindung getragen ist das Adagio lento – ein thränenreicher Trauergesang, eine ergreifende Klage um das Nichts des Menschenlebens. Das Finale: „ein lustiges Jagdstück mit starken, pathetischen Accenten!“
Was die Form des Werkes betrifft, so beruhen alle vier Sätze auf dem Gegensatz zwischen der strahlenden „Naturtonart“ Es-Dur und ihrem düsteren Gegenstück es-Moll. Im ersten Satz wird das Thema vom Baden-Badener Waldspaziergang zweimal von bewegten Episoden im 9/8-Takt unterbrochen (g-Moll, es-Moll).
Das Scherzo, dessen Thema die sprichwörtlichen „Hornquinten“ benutzt, hat ebenfalls eine dunkle Trioepisode in as-Moll bzw. es-Moll. Das es-Moll-Adagio erinnert in der Form an eine Passacaglia: Das Klavier allein geht mit einem absteigenden Thema voraus, das dann von den beiden Soloinstrumenten frei variiert wird. Als zweites Thema stimmt das Horn einen Kanon an, den die anderen aufgreifen. Wie sich erst viel später zeigt, beruht auch dieser auf den Harmonien des Klavieranfangs, der den Satz auch beschließt. Ausgelassen gibt sich das Finale, dessen Thema man zwar mit einem rheinischen Volkslied identifizierte, das aber ebenso deutlich an einen Satz aus Schumanns Kreisleriana erinnert.
1996
Johannes Brahms: Trio Es-Dur, op. 40
Eine der klangschönsten Kammermusiken des 19. Jahrhunderts verbirgt sich hinter Brahms‘ Opus 40 in der seltenen Kombination eines Horns mit Violine und Klavier. Heinrich Reimann berichtet in seiner populären Brahms-Biographie von 1900 von der Eigenart des Werkes und von Brahms‘ Vorliebe für das ventillose Waldhorn als Instrument des Trios. Interessanterweise wurde es im gleichen Jahr publiziert wie Gades Trio-Noveletten:
„Eine völlig ungeahnte Ueberraschung bot Brahms der musikalischen Welt mit dem Es-dur Trio für CIavier, Violine und Waldhorn (Op. 40, 1863). Dies Trio ist – wenigstens in der ursprünglichsten Form – bereits 1862, als Brahms in Karlsruhe war, vollendet gewesen. Der Componist spricht bereits davon in einem Dezember 1862 aus Basel datirten Briefe an A. Dietrich in Oldenburg: ‚Für einen Quartett-Abend kann ich mit gutem Gewissen mein Horn-Trio empfehlen und Dein Hornist thäte mir einen besonderen Gefallen, wenn er, wie der Karlsruher, einige Wochen das Waldhorn exerzierte, um es darauf blasen zu können.‘ Componirt wurde dies wundervolle und in seiner Art einzige Tonstück gelegentlich eines Aufenthaltes in Baden – Baden. Wie bei der Serenade (A-Dur) so hatte Brahms auch bei diesem Horn – Trio mit glücklicher Hand aus den alten, längst vergessenen Zeiten der Kammermusik herübergerettet, was seinen vom Gewöhnlichen gern abweichenden Absichten dienlich sein konnte. Und doch klingt gerade dieses Werk so originell und modern, dass man vergebens irgend welche greifbare Beziehung, geschweige denn Anlehnung an bereits Dagewesenes suchen würde. Auch der äusseren Form nach ist es, wie z. B. in dem 5theiligen, imWesentlichen aus einem Hauptsatz und einem Alternativ bestehenden ersten Satze, ganz neu. Von ganz besonderer Eigenart und unendlich tiefer poetischer Empfindung getragen ist das Adagio lento – ein thränenreicher Trauergesang, eine ergreifende Klage um das Nichts (vgl. quasi niente) des Menschenlebens. Das Finale: „ein lustiges Jagdstück mit starken, pathetischen Accenten!“