Sonata VIII d-Moll aus Duodena Selectarum Sonatarum für Violine, Vdg, und B.c.
Werkverzeichnisnummer: 3819
2002
J. H. SCHMELZER
Sonata in d, Sonata XIII
Als 1658 der blutjunge, eigentlich zum geistlichen Stand bestimmte Leopold I. Nachfolger seines Vaters Ferdinand III. auf dem Kaiserthron wurde, begann für die Hofmusik eine Phase aufsehenerregender Neuerungen. Der Kaiser liebte die Musik – und er liebte seine Musiker. Mehr als einmal brach er aus dem Korsett des Hofmusik-Reglements, sozusagen aus den eigenen „Dienstvorschriften“, aus, um Musiker zu befördern, die er ganz persönlich schätzte. Der musikalische Vertraute des jungen Kaisers war ein Bäckersohn aus Niederösterreich: Johann Heinrich Schmelzer.
Der fraglos beste österreichische Geiger seiner Generation war der erste, der die herrlichen Violinen des Tiroler Geigenbauers Jacobus Stainer klanglich und technisch zu ihrer vollen Entfaltung brachte. Mit ihm beginnt die österreichische Schule des Violinspiels. Erst 1649 wurde Schmelzer offiziell zum Geiger an der Wiener Hofkapelle ernannt, nachdem er bei Hof bereits fast 15 Jahre gedient hatte. Eine beispiellose Karriere folgte: Ernennung zum Vizekapellmeister 1671, Erhebung in den Adelsstand 1673, Aufstieg zum Hofkapellmeister 1679. Die Pest, der Schmelzer 1680 in Prag eigentlich entfliehen wollte, setzte seiner Laufbahn dort ein allzu frühes Ende.
Leopold I. schätzte an seinem Hofkomponisten und Kapellmeister nicht nur den Verfasser hinreißend lebendiger Ballettmusiken für die prunküberladene Opernbühne des Hofes oder den virtuosen Solisten fantastisch-freier Violinsonaten. Er ließ sich von ihm auch seine eigenen Werke verbessern, was er ihm mit Goldketten und Sonderhonoraren vergütete.
Schmelzer revanchierte sich mit der Widmung seiner ersten Sonatensammlung, der Duodena Selectarum Sonatarum, 1658 an den Kaiser. Diesem Opus entstammt unsere d-Moll-Sonate für Violine, obligate Gambe und Basso continuo. Sie beginnt im breiten Gesang feierlichen Kontrapunkts zwischen den beiden Streichern, die in typisch barocken Vorhaltswendungen dem Affekt der Trauer frönen. In virtuosen Soli lösen sich Geige und Gambe mehrmals von dem Modell der sich verschränkenden langen Noten, so als wechsle ein Redner urplötzlich von tiefer Trauer in heftigen Schmerz. Im zweiten Teil beschleunigt sich die Bewegung zu ruhig fließendem Dreiertakt, in dem Violine und Gambe frei dialogisieren. Ein affektvoll bewegtes Duett beschließt die Sonate.
In dem drei Jahre später veröffentlichten Sacro-Profanus Concentus musicus, einer Sammlung von meist groß besetzten Sonaten zum weltlichen wie geistlichen Gebrauch, ließ Schmelzer auch Platz für die Triosonate. In Sonata XIII dialogisieren zwei Geigen über dem Basso continuo in einem mehrsätzigen Gebilde aus Adagio-Einleitung, zwei fugierten Allegroteilen und einem virtuosen Schluss. In der Widmungsvorrede an Erzherzog Leopold Wilhelm, einen Onkel Kaiser Leopolds I., bestimmte Schmelzer den für den österreichischen Barock typischen geistlich-weltlichen Doppelsinn der Sonate (siehe Zitat Seite 10).