Streichsextett G-Dur, op. 36 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Johannes Brahms

Streichsextett G-Dur, op. 36

Streichsextett Nr. 2 G-Dur für zwei Violinen, zwei Violen und zwei Violoncelli, op. 36

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 378

Satzbezeichnungen

1. Allegro non troppo

2. Scherzo. Allegro non troppo

3. Poco adagio

4. Poco allegro

Erläuterungen

JOHANNES BRAHMS begann sein kammermusikalisches Schaffen wie viele Komponisten mit Streichquartetten, doch hat er diese frühen Werke als Zeugnisse mangelnder Reife später vernichtet. Die ersten Stücke reiner Streicher-Kammermusik, die er veröffentlichte, waren seine beiden Streichsextette, op. 18 und 36. Obwohl die Verleger anfangs skeptisch waren, ob sich Werke dieser seltenen, von Boccherini begründeten Gattung verkaufen würden, wurden die Sextette rasch zu einem großen Erfolg. Neben dem Deutschen Requiem waren sie es, die dem jungen Brahms zum Durchbruch verhalfen. Von beiden Sextetten ist das zweite (1864/65) das kammermusikalischere. Während in op. 18 orchestrales Tutti und Oberstimmenmelodik vorherrschen, ist der Klang in op. 36 fein abgestuft und kontrapunktisch aufgelockert. So wird das Thema des 1. Satzes mit seinen charakteristischen Quintsprüngen fast 100 Takte lang im piano von Instrument zu Instrument weitergereicht, bis das erste Tutti im forte einsetzt. Im gesamten Satz bleiben dieser durchsichtige Klang und der dezente Ton erhalten – trotz großartiger Steigerungen in Durchführung und Reprise. Der 2. Satz, ein Intermezzo, ist von Mendelssohnschem Klangzauber beseelt, der im Trio einer gleichsam hemmungslosen Musizierlaune alla Zingarese weichen muß. Das schmerzlich-wehmütige Poco Adagio gehört zu Brahms‘ originellsten Sätzen, denn es ist ein Variationensatz, dessen Thema so kontrapunktisch eingeführt wird, daß es sich dem Hörer nicht als Melodie mitteilt. Erst allmählich kann man, ohne die Noten zu kennen, ahnen, um welche Form es sich handelt. Das Finale setzt dieses Vexierspiel fort. Es beginnt in a-Moll statt in G-dur und schiebt zwischen die Themen seiner Sonatenform ein immer wiederkehrendes, flirrendes Sechzehntelmotiv ein.

DIE ERSTEN WERKE reiner Streicher-Kammermusik, die Johannes Brahms veröffentlichte, waren seine beiden Streichsextette, op. 18 und 36. Obwohl die Verleger anfangs skeptisch waren, ob sich Werke dieser exotischen Besetzung verkaufen würden, wurden sie rasch zu einem Verlagserfolg und verhalfen Brahms – neben dem Deutschen Requiem und den Ungarischen Tänzen – zum Durchbruch.

Das G-Dur-Sextett, op. 36 (1864/65), ist von beiden Sextetten das kammermusikalischere. Während in op. 18 orchestrales Tutti und Oberstimmenmelodik vorherrschen, ist der Klang in op. 36 fein abgestuft und kontrapunktisch aufgelockert. So wird das Thema des Kopfsatzes mit seinen charakteristischen Quintsprüngen fast 100 Takte lang im piano von Instrument zu Instrument weitergereicht, bis das erste Tutti im forte einsetzt. Im gesamten Satz bleiben dieser durchsichtige Klang und der dezente Tonfall erhalten – trotz großartiger Steigerungen in Durchführung und Reprise.

Der zweite Satz, ein Intermezzo, ist von Mendelssohnschem Klangzauber beseelt, der im Trio einer hemmungslosen Musizierlaune alla Zingarese weicht. Das schmerzlich-wehmütige Poco Adagio gehört zu Brahms‘ originellsten Sätzen, denn es ist ein Variationensatz, dessen Thema so kontrapunktisch eingeführt wird, daß es sich dem Hörer nicht als Thema von Variationen mitteilt. Wie immer bei Brahms ist es die Grundharmonie, nicht die Oberstimme, die verarbeitet wird, wobei die Varianten in Stimmführung und Harmonik zum Subtilsten gehören, was Brahms geschrieben hat.

Im Finale setzt sich das formale Vexierspiel fort. Es beginnt in a-Moll statt in G-dur und schiebt zwischen die Themen seiner Sonatenform ein immer wiederkehrendes, flirrendes Sechzehntelmotiv ein.

2002
JOHANNES BRAHMS
Streichsextett Nr. 2 G-Dur, op. 36

Die ersten Werke reiner Streicher-Kammermusik, die Johannes Brahms veröffentlichte, waren seine beiden Streichsextette, op. 18 und 36. Obwohl die Verleger anfangs skeptisch waren, ob sich Werke dieser exotischen Besetzung verkaufen würden, wurden sie rasch zu einem Verlagserfolg. Sie waren es, die Brahms neben dem Deutschen Requiem und den Ungarischen Tänzen zum Durchbruch verhalfen – der seltene Fall, dass eine Komponistenkarriere in der Kammermusik begründet wurde.

Das G-Dur-Sextett, op. 36, vollendet 1865, ist von beiden Sextetten das kammermusikalischere. Während im B-Dur-Werk, op. 18, orchestrales Tutti und Oberstimmenmelodik vorherrschen, ist der Klang in Opus 36 fein abgestuft und kontrapunktisch aufgelockert. Das Thema des Kopfsatzes mit seinen Quintsprüngen wird fast 100 Takte lang im piano von Instrument zu Instrument weitergereicht, bis das erste Tutti im forte einsetzt. Im gesamten Satz bleiben dieser durchsichtige Klang und der dezente Tonfall erhalten – trotz großartiger Steigerungen in Durchführung und Reprise. Dabei verleihen die zarten Beleuchtungswechsel von Dur nach Moll, die Hell-Dunkel-Effekte einer ständig changierenden Harmonik den motivischen Kunstgriffen zarte Wehmut. Dem zweiten Thema, einer Art leidenschaftlichem Walzer, soll Brahms die Tonbuchstaben aus dem Namen seiner Göttinger Geliebten Agathe von Siebold unterlegt haben. Der musikalische Scheidegruß an Agathe, von der sich Brahms vor der allgemein erwarteten Verlobung getrennt hatte, zeigt den Komponisten von einer unverblümt emotionalen Seite, die für ihn untypisch war. So halten sich im wundervollen Kopfsatz dieses Sextetts weiträumige Architektonik, Liebeslyrik und der kontrapunktische Turmbau des Hauptthemas die Waage.
Im zweiten Satz, einem Intermezzo über eine absteigende Melodie mit Trillern, setzte Brahms seine Klangstudien über die zarten Valeurs der Streicher fort. Der Satz ist von beinahe Mendelssohnschem Klangzauber beseelt, offenbart aber in den rhythmischen Dehnungen des Themas und im Helldunkel der Harmonik typische Brahms-Farben. Im Trio weicht das Zart-Verhaltene der hemmungslosen Musizierlaune ungarischer Zigeuner. Es ist der Brahms der Ungarischen Tänze

Das wehmütige Poco Adagio gehört zu Brahms‘ originellsten Sätzen, denn es ist ein Variationensatz, dessen Thema so kontrapunktisch eingeführt wird, dass es sich dem Hörer nicht als Thema mitteilt. Darin liegt der tiefere Sinn des zitierten Hanslick-Bonmots von den „Variationen über kein Thema“. Wie immer bei Brahms ist es die Grundharmonie, nicht die Oberstimme, die verarbeitet wird, wobei die Varianten in Stimmführung und Harmonik zum Subtilsten gehören, was Brahms geschrieben hat.

Im Finale setzt sich das formale Vexierspiel fort. Es beginnt in a-Moll statt in G-dur und schiebt zwischen die Themen seiner Sonatenform ein immer wiederkehrendes, flirrendes Sechzehntelmotiv ein. (Karl Böhmer)

2006
Die ersten Werke reiner Streicher-Kammermusik, die Johannes Brahms veröffentlichte, waren seine beiden Streichsextette, op. 18 und 36. Obwohl die Verleger anfangs skeptisch waren, ob sich Werke dieser exotischen Besetzung verkaufen würden, wurden sie rasch zum Erfolg. Neben dem Deutschen Requiem und den Ungarischen Tänzen waren es vor allem die beiden Sextette, die Brahms zum Durchbruch verhalfen und den Makel seiner teilweise umstrittenen Frühwerke (1. Klavierkonzert) heilten.

Das G-Dur-Sextett, op. 36, vollendet 1865, ist von beiden Sextetten das kammermusikalischere. Während im B-Dur-Werk, op. 18, orchestrales Tutti und Oberstimmenmelodik vorherrschen, ist der Klang in Opus 36 fein abgestuft und kontrapunktisch aufgelockert. Das Thema des Kopfsatzes wird fast 100 Takte lang im piano von Instrument zu Instrument weitergereicht, bis das erste kraftvolle Tutti aller sechs Stimmen einsetzt. Zusätzliche Spannung entsteht aus der ostinaten Wellenbewegung, die dem Thema hinterlegt wird, aus jener Wechselnote g-fis, die bei Bratschisten berühmt-berüchtigt ist. Über ihr türmen sich die Quintmotive des Themas in einem Hell-Dunkel aus ständigen Dur-Moll-Wechseln. Im gesamten Satz bleiben der wehmütige Ton dieser changierenden Harmonik und das vielfältig schillernde, transparente Klangbild bestimmend – trotz großartiger Steigerungen in Durchführung und Reprise. Zarte Wehmut liegt über dem Satz, wofür es biographische Gründe zu geben scheint. Dem zweiten Thema, einer Art leidenschaftlichem Walzer, soll Brahms die Tonbuchstaben des Namens von Agathe von Siebold unterlegt haben. Die junge Göttingerin wäre beinahe seine Verlobte geworden, wenn er nicht vor der sich anbahnenden Verbindung die Flucht ergriffen hätte. Das Sextett gilt als ein musikalisches Adieu an Agathe, von der er sich trennte, um seine künstlerische Freiheit bewahren zu können. Fast symbolisch halten sich im wundervollen Kopfsatz dieses Sextetts die Merkmale seines selbstbewussten Künstlertums – weiträumige Architektonik, kunstvolle motivische Arbeit und der kontrapunktische Turmbau des Hauptthemas – die Waage mit den Momenten liebender Zuwendung und inniger Lyrik.

Im zweiten Satz, einem Intermezzo über eine absteigende Melodie mit Trillern, setzte Brahms seine Klangstudien über die zarten Valeurs der Streicher fort. Der Satz ist von beinahe Mendelssohnschem Klangzauber beseelt, offenbart aber in den rhythmischen Dehnungen des Themas und im Helldunkel der Harmonik typische Brahms-Farben. Im Trio weicht das Zart-Verhaltene der hemmungslosen Musizierlaune ungarischer Zigeuner. Es ist der Brahms der Ungarischen Tänze

Das wehmütige Poco Adagio gehört zu Brahms‘ schönsten langsamen Sätzen. Ein feiner Duft scheint über der Musik zu schweben; ein Hauch von „langsamer vergehender Zeit“, wie es Heimito von Doderer genannt hätte. Eine klagende Melodie der ersten Geige über leise weinenden Achteln der zweiten und Triolen der ersten Bratsche. Die Geigen vereinen sich zu schluchzenden Terzen, die Bratsche bleibt widerhakend, ein kurzes sentimentales Aufwallen, die zweite Bratsche tritt mit einem bedeutungsvollen C hinzu, dann folgt das Zurücksinken in mattes Verdämmern.

Was so heikel beginnt, so fein gewoben anhebt, dass es der Wiener Kritiker Eduard Hanslick treffend „Variationen über kein Thema“ nennen konnte, will nicht bloß sauber gespielt sein; es will erspürt werden, im Klang, in den dynamischen Wallungen, in den agogischen Nuancen. Tatsächlich handelt es sich um einen Variationensatz, dessen Thema so kontrapunktisch eingeführt wird, dass es sich dem Hörer im Grunde gleich als erste Variation mitteilt. Trotz gleich bleibender Grundharmonie sind Klang und melodischer Duktus dieses Satzes in ständigem Fluss.

Im Finale setzt sich das formale Vexierspiel fort. Es beginnt in a-Moll statt in G-dur und schiebt zwischen die Themen seiner Sonatenform ein immer wiederkehrendes, flirrendes Sechzehntelmotiv ein. (Karl Böhmer)