Bläserquintett "Diptychon" | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Sándor Veress

Bläserquintett "Diptychon"

Bläserquintett (1968), “Diptychon”

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 3742

Satzbezeichnungen

1. Andante (Dunkel)

2. Allegro (Figurative Floskeln auf farbigem Bordun)

Erläuterungen

Das feierliche Moll und das majestätische Dur, die Mozarts Musik beherrschen, spielen im Quintett von Sándor Veress keine Rolle. Der Ungar, der als gestrenger Lehrer von György Ligeti, Heinz Holliger und anderen zeitgenössischen Komponisten ebenso berühmt wie berüchtigt war, entwickelte in diesem Stück aus zwei Zwölftonreihen eine subtile moderne Harmonik, “frei, fast tonal, die Reihe nur als inneres Gerüst, ‘Fahrplan’ benützend”, so Veress. In Form und Rhythmik ließ er sich von der ungarischen Folklore leiten.

Sandór Veress begann seinen kompositorischen Weg als Komponist und Volksliedforscher im Gefolge Bartóks und Kodálys, die seine Lehrer an der Budapester Akademie waren. Zeitweilig arbeitete er als Bartóks Assistent an dessen Volkslied-Sammlungen mit. Erste Erfolge in den 1930er Jahren und Aufenthalte in Rom, London und Amsterdam machten ihn bald zum bekanntesten ungarischen Musiker der Nach-Bartók-Generation. Dieses Wissen gab er wiederum an die bedeutendsten ungarischen Komponisten der nächsten Generation, Ligeti und Kurtág, weiter. Veress steht also in der Mitte eines großen Jahrhunderts ungarischer Musik, für das die Erschließung der volksmusikalischen Quellen zur Lebensader wurde.

In Veress’ Quintett von 1968 gemahnt die zweisätzige Form an “die beiden Grundcharaktere der ungarischen Volksmusik: das parlando rubato und das tempo giusto”, wie es Claudio Veress formulierte. Im ersten Satz hört man eher freie, “gesprochene” Phrasen bis hin zu “Patterns”, die die Instrumentalisten nach Belieben gestalten sollen; im zweiten Satz wird die Bewegung rhythmisch kompakter, tanzartig. Chromatische Läufe durchwirken beide Sätze, außerdem im ersten Satz ein pastoral-schwingendes Andante-Thema. Veress schrieb dieses Werk 1968 nach einem Aufenthalt an der University of Adelaide in Australien für das dortige Bläserquintett. Ursprünglich auf vier Sätze angelegt, beließ er es bei dem “inneren Kreis” aus zwei Sätzen, die er unter dem Titel “Diptychon” zur Uraufführung freigab. Veress ließ sich oft und gerne von der Malerei anregen, so auch hier, wie der Titel Diptychon und die Überschriften der beiden Sätze zeigen. Der erste mit dem Titel Dunkel ist ebenso auf Klangfarbenmalerei angelegt wie der zweite, Figurative Floskeln auf farbigem Grund.