Fantasia a-Moll | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

William Byrd

Fantasia a-Moll

Fantasia a-Moll für Orgel

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 3726

Satzbezeichnungen

Erläuterungen

Das Programm des King’s College Choir beim Festival RheinVokal mit englischen a-cappella-Werken von der Renaissance bis in die unmittelbare Gegenwart vermittelt einen Überblick über 400 Jahre ununterbrochener Chormusikpflege an englischen Kirchen und Kathedralen. Für diese Musik bildete sich dort aus der Verbindung von Knaben- und Männerstimmen ein Klangideal heraus, für das sich auf dem europäischen Festland kaum ein Äquivalent findet. Seit dem 19. Jahrhundert spielten zudem auch Chormusikfestivals eine wichtige Rolle in England, mit der Zielsetzung, das Chormusikrepertoire lebendig zu halten und neuen Auftragswerken eine Plattform zu bieten.

Die hier vorgestellten Komponisten sind nicht nur Exponenten eines charakteristischen Zeit- und Personalstils; sie stehen auch insofern in einer Traditionslinie, als dass sich die jüngeren kompositorisch ganz explizit auf ihre Vorgänger berufen: So schrieb Ralph Vaughan Williams eine Fantasia on a Theme by Thomas Tallis und zwei von Benjamin Brittens bekanntesten Werken, The Young Person’s Guide to the Orchestra und Lachrymae, setzen sich mit Stücken von John Dowland und Henry Purcell aus dem 17. Jahrhundert auseinander. William Walton hingegen reflektiert in Improvisations on an Imprompty by Britten Musik seines unmittelbaren Zeitgenossen.

Thomas Tallis und der etwa eine Generation jüngere William Byrd zählen zu den beiden wichtigsten Komponisten der Elisabethanischen Zeitalters, das auch als „Goldenes Zeitalter“ charakteristiert wurde. Tallis wurde 1542 – nach verschiedenen Stationen als Organist in Dover, in Canterbury und an der Waltham Abbey – als Gentleman of the Chapel Royal in die Hofkapelle aufgenommen, wo er bis zu seinem Tode 1585 das Organistenamt innehatte. Tallis‘ Nachruhm begründet sich jedoch mehr auf sein Schaffen als Komponist komplexer Chorwerke im polyphonen Stil der Vorreformation, darunter die bekannte Motette Spem in alium für acht fünfstimmige Chöre. Später war er einer der ersten Komponisten, die auch englischsprachige Texte für den Gottesdienst vertonten. Die vier Responsorien Videte miraculum, Dum transisset sabbatum, Loquebantur variis linguis und Honor, virtus et protestas müssen jedoch vor der Abschaffung der katholischen Liturgie 1558 entstanden sein, da sie sich auf wichtige Feste des Kirchenjahrs wie Maria Lichtmess, Ostern, Pfingsten und Trinitatis beziehen.

Gemeinsam mit Tallis versah William Byrd nicht nur ab 1572 den Organistendienst an der Chapel Royal, die beiden erhielten auch drei Jahre später von Königin Elizabeth I. das Privileg, über zwei Jahrzehnte lang allein berechtigt Noten zu drucken und verkaufen. Dies überliefert den Nachgeborenen die Werke Byrds in authentischer Gestalt. Bereits 1575 veröffentlichten Tallis und Byrd als erstes Werk eine Sammlung lateinischer Motetten Cantiones sacrae, zu der Byrd 18 Stücke von ausgefeilter kontrapunktischer Kunst beisteuerte. Im dritten Band der Cantiones sacrae (1591) wurde das fünfstimmige Laudibus in sanctis veröffentlicht, während das vierstimmige Hodie beata virgo Maria aus dem ersten Band der Gradualia (1605) stammt. Diese kürzeren Stücke abschnittsweise vertonter liturgischer Musik in lateinischer Sprache gehören in die römisch-katholische Messe und wurden damals vermutlich nur bei Privatgottesdiensten im Geheimen aufgeführt. Dennoch schadeten diese Werke Byrds Position am protestantischen Hofe nicht. Stilistisch steht Byrd mit seinen Zeitgenossen der Spätrenaissance, Orlando di Lasso und Giovanni Palestrina, auf gleicher Höhe, und auch er profilierte sich in allen weltlichen und geistlichen Gattungen seiner Zeit mit der Komposition von Messen, Psalmen, Motetten, Songs, Sonetten und Instrumentalmusik für Gambenconsort und Tasteninstrumente, deren beste Belege er in My Lady Nevell’s Book kompilierte. Sein Einfluss auf die Musik Englands, Deutschlands und der Niederlande ist kaum zu überschätzen.

John Tavener begann schon früh zu komponieren und zu improvisieren und ist seit seinem internationalen Durchbruch 1968 mit The Whale (Der Walfisch) – das die Beatles so sehr begeisterte, dass sie es auf ihrem Apple Label veröffentlichten – bei einem breiten Publikum sehr beliebt. Der Großteil seiner Musik sind Chorwerke zumeist mit religiösem, doch nicht liturgischem Inhalt. 1977 konvertierte Tavener zum griechisch-orthodoxen Glauben, was sich stilistisch in einer Abkehr von der avantgardistischen Musik zu einer eher kontemplativ-esoterischen Klang-sprache manifestierte. Diese wird auch von den Hörern sehr geschätzt, die sich sonst weniger mit klassischer Musik beschäftigen. So wurden Tavener zahlreiche Kompositionsaufträge von britischen Chören, Instrumentalensembles sowie internationalen Musikfestivals zuteil. Das sechsstimmige Funeral Ikos entstand 1981 und vertont Worte des Gottesdienstes für die Begräbnisfeierlichkeiten von orthodoxen Priestern. Jeder der sechs Textabschnitte gipfelt in einem Alleluia. Musikalisch verbinden sich in diesem weitgehend homophon bzw. unisono gehaltenen sechsstimmigen Satz Einflüsse des gregorianischen Gesangs und der russisch-orthodoxen Kirche zu einer quasi hypnotischen Einfachheit, die den Worten eine nachdrückliche Entfaltung ihrer Kraft ermöglicht.

Ralph Vaughan Williams wird von vielen als die bedeutendste Stimme der englischen Musikgeschichte seit Henry Purcell angesehen. Gemeinsam mit seinem Freund Gustav Holst dominierte er das britische Musikleben des ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, wobei er auch als Kompositionslehrer und Dirigent seine Wirkung entfaltete. Bereits mit 15 trat er als Kompositionsschüler in die Londoner Royal Academy of Music ein und setzte seine Studien dann in Cambridge fort. Obwohl er offenbar die Notwendigkeit verspürte, seine Kompositionsstudien auf dem „Kontinent“ bei Max Bruch und Maurice Ravel zu vertiefen, war es ihm ein Anliegen, eine vom deutschen und französischen Einfluss freie Musik zu schaffen. Dabei sind sowohl das englische Volkslied als auch die Musik der Tudor- und Stuart-Zeit für ihn wichtige Bezugspunkte. Mit Shakespeare-Texten setzte sich Vaughan Williams zu allen Zeiten seines Lebens immer wieder kompositorisch auseinander. Die Three Shakespeare Songs entstanden 1951 und stammen damit aus der Spätphase seines Schaffens. Die beiden ersten, „Full Fathom Five“ und „The Cloud-Capp’d Towers“, vertonen Verse aus Shakespeares letztem Schauspiel Der Sturm und thematisieren die Vergänglichkeit und Kürze des Lebens. Das Schluss-Stück „Over Hill, over Dale“ greift textlich auf Shakespeares Sommernachtstraum zurück.

Auch für das Schaffen William Waltons – dem inoffiziellen Nachfolger Vaughan Williams und „Grand Old Man of English Music“ – war Shakespeare ein wichtiger Anreger: Nicht nur seine Oper Troilus and Cressida basiert auf einem Stück des Dramatikers, auch zwei Filmmusiken für Projekte des Schauspielers und Regisseurs Laurence Olivier setzen die Stoffe der Königsdramen Henry V. (1943/44) und Richard III. (1955) musikalisch um. Letzterer wurde mit insgesamt drei Oscars ausgezeichnet. Aus der zehnteiligen Filmpartitur für Sprecher und Orchester extrahierte Walton u.a. eine dreiteilige Orgelpartitur, bestehend aus March – Elegy – Scherzetto.

Der a-cappella-Chorsatz Where Does the Utter’d Music Go? zu Worten des viktorianischen Autors John Masefield stammt von 1945/46. Er wurde anlässlich einer Zeremonie zur Einweihung eines Glasfensters in der Londoner Kirche St. Sepulchre’s uraufgeführt, zum Gedenken an den großen britischen Dirigenten Henry Wood, der die „Prom’s“, die beliebten Promenadenkonzerte in London ins Leben rief. In seiner späteren Schaffenszeit gab Walton die zunächst eingeschlagene Richtung einer atonalen Musiksprache mehr und mehr zugunsten eines neoromantischen Klangs auf.

Benjamin Britten gilt als der bedeutendste englische Komponist des 20. Jahrhunderts, doch sind seine Werke außerhalb seines Heimatlandes nur zu einem kleinen Teil bekannt. Er schrieb Musik für fast alle instrumentalen Gattungen – von Klavier- und Orgelwerken über Kammermusik zu Sinfonik sowie Auftragsmusiken für Radio und Film. Doch spielte die Vokalmusik – die geistliche ebenso wie die weltliche – noch eine wichtigere Rolle, und seine Liederzyklen und Opern zählen zu seinen bekanntesten Werke.

1935 lernte Britten den Dichter Wystan Hugh Auden kennen, der als „kraftvoller, revolutionärer Geist“ (so Brittens eigene Worte) einen nachhaltigen Einfluss auf den Komponisten hatte. Er stimulierte nicht nur sein Interesse an Lyrik im allgemeinen, sondern lieferte auch zu verschiedenen Werken den Text.

Die Hymn to St Cecilia op. 27 ist kein Lobgesang an die Schutzpatronin der Musik im traditionellen Sinne, wie ihn etwa Henry Purcell jedes Jahr zu deren Heiligenfest am 22. November (der auch Brittens Geburtstag ist) schrieb. Es geht bei Britten mehr um die psychogrammatische Schilderung von Ängsten und leidvollen Seelenzuständen, in denen die Musik eine erhebende und tröstliche Wirkung hat. Das dreiteilige Stück zeichnet sich durch die weiträumige Anlage der hohen und tiefen Stimmen aus, die jene im Refrain jeden Teiles beschworene „inspirierende und visionäre Kraft der Musik“ zum Klingen bringt.

Anne Schneider

Der King’s College Choir ist einer berühmtesten und traditionsreichsten Chöre Englands, der auf die Regentschaft König Heinrichs VI. zurück geht. 1440 begründete dieser das King’s College in Cambridge samt einer prunkvollen Kapelle mit gotischem Fächergewölbe, in der täglich Gottesdienste mit Gesang stattfinden sollten. Dies ist auch heute noch die Hauptaufgabe der 16 Chorknaben und 14 Chorstipendiaten des Colleges. Das Repertoires des Chores ist riesig und umfasst praktisch die gesamte englische Chormusik sowie die Hauptwerke von Bach, Händel und Vivaldi. Der King’s College Choir setzt einerseits Akzente im Alte-Musik-Bereich, gibt aber auch zahlreiche Werke bei zeitgenössischen Komponisten in Auftrag – darunter Peter Maxwell Davies, John Tavener, Thomas Adès oder Arvo Pärt. Viele Einspielungen dokumentieren das hohe künstlerische Niveau des Chores, und ein besonderer Höhepunkt für das englische Publikum ist seine allweihnachtliche Radio- und Fernseh-Übertragung der Nine Lessons and Carols.

Im King’s College werden nicht nur Chorknaben ausgebildet, sondern traditionell auch „organ scholars“. Zur Orgelklasse gehören Tom Winpenny und Oliver Brett, die mit ihren Chorkollegen von Cambridge nach Boppard gereist sind und heute Abend die Orgelwerke des Programmes gestalten.

In seinen Funktionen als Organist, Chorleiter, Dirigent und Gastprofessor leistet Stephen Cleobury einen beeindruckenden Beitrag zum heutigen Musikleben Englands. Nachdem er sich zunächst als Organist (u.a. an der Londoner Westminster Abbey) profilierte, verlagerte sich sein Schwerpunkt ab 1978 – als Musikdirektor an Westminster Cathedral – auf die Chormusik. Dem King’s College Choir steht er seit 20 Jahren vor, darüber hinaus leitet er Orchester und Chor der Cambridge University Musical Society. Seit 1995 ist er auch Hauptdirigent der BBC Singers, des einzigen britischen Vollzeit-Profichors. Beide Chöre hat er vielfach bei Konzertauftritten zusammengeführt und mit ihnen eine Reihe ausgezeichneter CD-Einspielungen vorgelegt.