„Frankenstein!!“
Ein Pandämonium für Chansonnier und Ensemble nach Kinderreimen von H.C. Artmann
Werkverzeichnisnummer: 3688
2005 RheinVokal
Lichter der Großstadt
Man mag den Beginn der Moderne mit Freuds psychoanalytischer Traumdeutung ansetzen, mit den abstrakten Bildern Kandinskys oder mit den expressionistischen Werken Schönbergs: Fest steht, dass jener Umbruch von einer Verlagerung der künstlerischen Schauplätze begleitet wurde, von einer neuen Verortung, die Hölderlins vielzitierter Satz „Komm ins Offene!“ treffend charakterisiert: Die Maler verließen ihre Ateliers, um im Freien zu arbeiten (so die Impressionisten); die Literaten (etwa Emile Zola) suchten Sujets auf der Straße, oftmals in sozialen Brennpunkten. Und auch die Musiker bemühten sich, neue Spielräume zu erschließen – außerhalb von Konzertsaal und Opernhaus, fernab der bürgerlichen Kulturtempel.
Vom Spiel mit den Kulissen lebt auch HK Grubers Pandämonium Frankenstein!! Die Verse H.C. Artmanns tarnen sich nämlich durch ihr vorgeblich harmloses Vokabular („äuglein“, „kämmerlein“, „vampirlein“), durch ihre bewusst simplen Reime („nicht-gedicht“) und parodistischen Anleihen („es tanzt ein mi-ma-monsterchen“). Sie tarnen sich als Kinderlieder – ein Kunstgriff, der dem Liederzyklus eben jenes im Untertitel ausgewiesene Dämonische verleiht.
In seiner 1971 entstandenen Vertonung (1978 überarbeitet) überträgt Gruber Artmanns poetische Methode ins Musikalische: Auch er arbeitet mit Versatzstücken (mit wörtlichen Zitaten oder -subtiler – mit Anspielungen auf bestimmte Genres, etwa solche der Unterhaltungsmusik), um die Hörer aufs Glatteis zu locken: geradezu mottohaft im Prolog, in dem er zunächst ein pseudoromantisches Szenario aufbaut, um es sogleich mit peitschenden Schüssen zu durchlöchern. Die Achtung anmahnenden Ausrufezeichen hinter Frankenstein!! könnte man also auch auf den Komponisten übertragen – im Sinne einer Hörempfehlung, die im übrigen ebenso auf seine Programmkollegen zutrifft: Vorsicht! Gruber!!
Matthias HenkeHK Gruber
Der Komponist, Dirigent, Chansonnier und Kontrabassist HK Gruber ist eine der bekanntesten und beliebtesten Persönlichkeiten der zeitgenössischen Musikszene Österreichs. Geboren 1943 in Wien, war er als Kind bei den Wiener Sängerknaben und wurde 1961 als Kontrabassist Mitglied des Ensembles die reihe , dessen künstlerischer Leiter er heute noch ist. 1969 bis 1998 spielte er beim Wiener Radio-Sinfonie-Orchester Kontrabass. Grubers populärstes Werk Frankenstein!! wurde 1978 vom Liverpool Philharmonic Orchestra unter Simon Rattle uraufgeführt. Grubers Werk umfasst ausserdem zwei Violinkonzerte, ein Cellokonzert für Yo-Yo Ma, ein Konzert für Schlagzeug sowie ein Trompetenkonzert für Håkan Hardenberger, außerdem die Orchesterwerke Zeitfluren für Kammerorchester und Dancing in the Dark, eine Auftragskomposition der Wiener Philharmoniker, deren Uraufführung 2003 Simon Rattle dirigierte und deren amerikanische Erstaufführung mit dem Cleveland Orchestra von HK Gruber geleitet wurde.
Als Dirigent arbeitet Gruber regelmässig mit den Rotterdamer Philharmonikern, dem BBC Philharmonic, dem Ensemble Modern, der London Sinfonietta und dem Swedish Chamber Orchestra zusammen. Zu den Höhepunkten dieser Saison gehören Konzerte mit dem New World Symphony Orchestra, dem Ensemble Modern, den Essener Philharmonikern (Artist in Residence in der Philharmonie Essen) und die Uraufführung seiner neuen Oper Der Herr Nordwind in Zürich. HK Gruber wurde mit dem Großen Österreichischen Staatspreis ausgezeichnet.