Drei Intermezzi, op. 117 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Johannes Brahms

Drei Intermezzi, op. 117

Drei Intermezzi für Klavier, op. 117

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 3591

Satzbezeichnungen

1. Andante moderato

2. Andante con moto, e con molto espressione

3. Andante con moto

Erläuterungen

2006: In der späten Klaviermusik von Johannes Brahms gibt es eine Wendung zum kleinen Format. Die Intermezzi Opus 117, die er im Sommer 1892 in Bad Ischl schrieb, gelten als Inbegriff seines späten Klavierstils – in ihrer Verknappung auf lakonische Gesten, in ihrer fast impressionistischen Klangaura und ihrem melancholischen Duktus. Brahms nannte sie „drei Wiegenlieder meiner Schmerzen.“ Sie zeugen von der Vereinsamung des alternden Komponisten, der hier noch einmal – wie in seiner Jugend – auf Gedichte aus Herders „Stimmen der Völker“ zurückgriff. Zur Ausführung bemerkte Clara Schumann: „Die Stücke sind, was Fingerfertigkeit betrifft, nicht schwer, aber die geistige Technik darin verlangt ein feines Verständnis, und man muß ganz vertraut mit Brahms sein, um sie so wiederzugeben, wie er es sich gedacht.“

„Wiegenlied einer unglücklichen Mutter“ heißt das von Herder übersetzte schottische Volkslied, dessen Zeilen Brahms dem ersten Stück als Motto beigesellte: „Schlaf sanft, mein Kind, schlaf sanft und schön, mich dauert’s sehr, dich weinen sehn.“ Was sich dahinter verbirgt, ist die tragische Geschichte der Anne Bothwell, der Tochter des Bischofs von Orkney, die sich in ihren eigenen Cousin verliebte und nun an der Seite ihres Kindes die Untreue der Männer besingt – bei Brahms ein Wiegenlied von wehmütigem Abschiedsschmerz. Das zweite Intermezzo in Es-Dur „präludiert gleichsam schwingend-schwebend im Dreiertakt in filigranhaften Arabesken, bis das Thema in Des-Dur neu ersteht, wienerisch weiter ausgesponnen – eine Metamorphose, wie sie nur der in Wien heimisch gewordene Brahms hervorbringen konnte.“ (Detlef Kraus) Auch das Motto zu Nr. 3 „O weh! o weh, hinab ins Tal“ lässt sich zwanglos dem Beginn des Stückes unterlegen. Es ist eine um die Terz des cis-Moll-Akkords kreisende, mühevoll sich windende Weise.

-

Die Intermezzi, op. 117, schrieb Brahms im Sommer 1892 in Bad Ischl. Sie gelten als Inbegriff des späten Klavierstils von Brahms – in ihrer Verknappung auf lakonische Gesten, in ihrer fast impressionistischen Klangaura und ihrem melancholischen Duktus. Der resignative Zug des späten Brahms, sein „maßvollerer, abgeklärter Stil“ (Eduard Hanslick) wird in ihnen auf eine fast aphoristische Kürze gebracht. Brahms nannte sie Wiegenlieder und gestand dem Freund Rudolf von der Leyen in Krefeld: „Es sind drei Wiegenlieder meiner Schmerzen.“ Sie zeugen von der Vereinsamung des alternden Brahms, der hier noch einmal – wie in seiner Jugend – auf Gedichte aus Herders „Stimmen der Völker“ zurückgriff.

„Wiegenlied einer unglücklichen Mutter“ heißt jenes von Herder übersetzte schottische Volkslied, dessen Zeilen Brahms dem ersten Stück als Motto beigesellte: „Schlaf sanft, mein Kind, schlaf sanft und schön, Mich dauerts sehr, dich weinen sehn.“ Was sich dahinter verbirgt, ist die tragische Geschichte der Anne Bothwell, der zweiten Frau Heinrichs VIII. von England, die der König hinrichten ließ. In der doppelten romantischen Metamorphose durch Herder und Brahms verwandelte sich „Lady Anne Bothwell’s Lament“ in ein Wiegenlied, das von wehmütigem Abschiedsschmerz durchzogen ist. In wiegendem Sechsachteltakt und spieldosenhaftem Klang bewegt sich das Es-Dur-Stück sanft am Bett des Kindes, doch Mollharmonien trüben bald die Idylle.

Das zweite Intermezzo in Es-Dur „präludiert gleichsam schwingend-schwebend im Dreiertakt in filigranhften Arabesken, bis das Thema in Des-Dur neu ersteht, wienerisch weiter ausgesponnen – eine Metamorphose, wie sie nur der in Wien heimisch gewordene Brahms hervorbringen konnte.“ (Detlef Kraus)

Aus Herders Zyklus von Volksdichtung bezog Brahms auch das mutmaßliche Motto zu Nr. 3 „O weh! o weh, hinab ins Tal“. Die Textzeilen der Herderschen Übersetzung lassen sich jedenfalls zwanglos dem Beginn des Stückes unterlegen: einer um die Terz des cis-Moll-Akkordes kreisenden, mühevoll sich oben windenden Weise.

Zur Ausführung der Intermezzi, op. 117, bemerkte Clara Schumann: „Die Stücke sind, was Fingerfertigkeit betrifft, nicht schwer, aber die geistige Technik darin verlangt ein feines Verständnis, und man muß ganz vertraut mit Brahms sein, um sie so wiederzugeben, wie er es sich gedacht.“

-
Als Johannes Brahms im Oktober 1893 seine letzten Klavierstücke – die Opera 118 und 119 – an seinen Verleger Fritz Simrock schickte, fragte er ihn scheinbar verlegen, ob er denn nicht passende Titel für sie wisse. Ihm selbst bleibe „wohl nichts übrig als Klavierstücke!“ Die Manuskripte belegen, wie Brahms um die Titel der Serien rang: „Clavierstücke“, „Fantasien“ und wieder „Klavierstücke“ finden sich mehrmals durchgestrichen. Die letztlich gewählten Titel auch der einzelnen Stücke muten wie Verlegenheitslösungen an oder wie ein Sich-Verstecken hinter dem Allgemeinen: Intermezzo, Capriccio, Ballade, Romanze und Rhapsodie lösen einander in scheinbar planloser Folge ab.

Der meist gebrauchte Begriff ist zugleich der für den späten Brahms charakteristische: Intermezzo. Quasi im Vorübergehen, zwischen den Zeilen, ohne Anspruch auf ein allzu Bedeutungsvolles zu erheben, wollte sich der alternde Brahms aussprechen. Sein Wiener Kritikerfreund Eduard Hanslick hat einmal bemerkt, wie in der späten Kammermusik von Brahms das Scherzo dem Intermezzo weicht. Auch in der Klaviermusik glätten sich (scheinbar) die Wogen, während sich zugleich eine tiefe Melancholie einschleicht.

Monologe eines Einsamen sind es, die Brahms hier zu Papier brachte. Von Bad Ischl aus schrieb er im Sommer 1892 an den Bibliothekar der Musikfreunde in Wien, Eusebius Mandyczewski, er solle ihm doch „so ein 24-36 Querformat für Clavier schicken“, also querformatiges Notenpapier, wie es damals für Klavierstücke gerne verwendet wurde. In jenem Jahr vollendete er die Fantasien, op. 116, und die Intermezzi, op. 117. Im folgenden Sommer schlossen sich die Klavierstücke der Opera 118 und 119 an. Es waren zweimal zehn Stücke, die nach Brahms‘ rigidem Auswahlverfahren übrig geblieben waren, denn so manches hat er noch in letzter Sekunde ausgesondert und vernichtet. Die veröffentlichten Stücke sind also nur die Essenz aus zwei (und sicherlich wesentlich) mehr Jahren einer letzten, intensiven Beschäftigung mit jenem Instrument, auf dem Brahms 40 Jahre zuvor seine Karriere begonnen hatte.

Nr. 1, Intermezzo a-Moll: „Nicht schnell, aber leidenschaftlich“ steht über dem eigenhändigen Manuskript des ersten Stücks, das er im August 1893 an Clara Schumann sandte. Die Vortragsbezeichnung ist charakteristisch für mehrere Stücke der Serie, trifft aber auf die stürmisch-bewegten und doch gewichtigen Klangwogen des ersten Stücks besonders zu. Ständiges Modulieren und ein langer Orgelpunkt im Mittelteil erhöhen die harmonische Spannung beständig – bis sich der Schluss in zartes A-Dur (mit der Quint im Bass) auflöst.

Nr. 2, ein Intermezzo in A-Dur, macht seiner Vortragsbezeichnung „Zärtliches Andante“ alle Ehre. Es ist ein lichtes, zartes „Lied ohne Worte“, mit zögerlichem Auftakt und empfindsamem Septsprung. Im fis-Mittelteil ist zwischen Ober- und Mittelstimme ein Kanon verborgen.

Nr. 3 kommt energisch und wuchtig daher, eine Ballade in g-Moll, die Brahms zunächst „Rhapsodie“ nennen wollte. Sie erinnert eher an die Rhapsodien des Opus 79 als an die frühen Balladen des Opus 10. Volle Staccato-Dreiklänge in der Mittelstimme, wuchtige Oktaven im Bass und eine ungarische Melodie in der Oberstimme verleihen dem Stück den Charakter einer „ungarischen Rhapsodie“.

Nr. 4 ist eine Art Aphorismus, ein „aufgeregtes Allegretto“ in f-Moll, in dem sich die beiden Hände beständig atemlose Triolen zurufen.

Nr. 5, eine Romanze in F-Dur, wirkt als Ruhe- und Höhepunkt der gesamten Serie. Brahms hat hier noch einmal, wie in den Mittelsätzen seiner beiden Klavierkonzert, von einer feierlichen absteigenden Tonleiter im Sechsvierteltakt Gebrauch gemacht. Wie ein Gebet, im obligaten fünfstimmigen Satz, wird die Melodie eingeführt, der Rhythmus ist, wie fast immer beim späten Brahms, hemiolisch verschoben. Bald umspielen Ornamente das Thema, bis es sich in puren Klang aufgelöst zu haben scheint. Von der Koloristik des späten Brahms zeugt auch der Mittelteil, ein Allegretto in D-Dur, das sich graziös über dem Wellenschlag des Basses einpendelt.

Nr. 6 zerreißt das Traumbild der Romanze durch bohrende Melancholie: „Andante, largo e mesto“ in düsterem es-Moll. Penetrant zieht sich ein um die Mollterz kreisendes Motiv durch den Hauptteil, Oktaven brechen mit quasi-sinfonischer Wucht in den Mittelteil ein. Schärfste Dissonanzen im Fortissimo bezeichnen den Höhepunkt der Verzweiflung, bevor die Resignation des Anfangs wiederkehrt. Mit diesem „breiten und traurigen“ Andante hat Brahms einen bezeichnenden Schlusspunkt gesetzt.