Quintett C-Dur für zwei Violinen, zwei Violen und Violoncello
Werkverzeichnisnummer: 3515
1. Allegro
2. Andante grazioso
3. Allegro non troppo presto
2004
JOSEPH MYSLIVECEK
Streichquintett C-Dur
In der römischen Kirche S. Lorenzo in Lucina, unweit des Corso, befindet sich an einem Pfeiler des Mittelschiffs eine zweisprachige Stele in Tschechisch und Italienisch, die an einen Freund Mozarts und an einen großen Komponisten des 18. Jahrhunderts erinnert: an Joseph Myslivecek.
„Groß“ war er im Sinne des Zeitalters, nämlich als Maestro der Opera seria, der italienischen ernsten Oper. Mysliveceks Vertonungen klassischer Seriatexte wie „Ezio“ oder „Antigono“ wurden auf allen Bühnen Italiens gespielt. In Venedig, Neapel und Rom, den Zentren der Opera seria, hatte er „Carte blanche“ für Opernaufträge. Da es den Italienern unmöglich war, seinen tschechischen Namen auszusprechen, nannten sie ihn schlicht „Il Boemo“, der Böhme. Wie „Il Sassone“, der Sachse Händel, ein halbes Jahrhundert vor ihm machte Myslivecek in Italien sein Glück, und dort lernte er auch die Mozarts kennen: „Er ist ein Ehrenmann und wir haben vollkommne freundschaft miteinander gemacht,“ berichtete Leopold Mozart seiner Frau im Oktober 1770 brieflich aus Bologna.
Auf den jungen Wolfgang Amadé hat die Kunst des jovialen Böhmen tiefen Eindruck gemacht, nicht nur in der Oper, sondern auch in der Klaviersonate, Sinfonie und Kammermusik. Auch späterhin, als schon gereifter Compositeur hat der Salzburger der Musik des Böhmen höchstes Lob gezollt, wobei auch die freundschaftlichen Gefühle über Jahre erhalten blieben. Im Oktober 1777 kam es zu jener tragischen Wiederbegegnung in München, die unter den Auspizien von Mysliveceks Krankheit stand. Als Gast des bayerischen Kurfürsten hatte der Böhme höchst erfolgreich seine Oper Ezio auf die Bühne des Cuvilliéstheaters gebracht, um danach an den Folgen einer Syphilis-Infektion zu erkranken. Eine Operation hatte ihn im Gesicht teilweise entstellt, so dass das Wiedersehen in einem Münchner Hospital für Mozart zur tief erschütternden Erfahrung wurde. Freilich schmiedeten die beiden nach den ersten bewegenden Augenblicken schon bald gemeinsame Opernpläne für Italien – Pläne, die allzu rasch von der Realität eingeholt wurden. Von der Münchner Operation erholte sich Myslivecek weder gesundheitlich noch beruflich, denn seine Reputation war zerstört. Seine letzten italienischen Opern fielen durch, so dass er 1781 verarmt und krank in Rom starb – im Alter von 43 Jahren.
Die Freundschaft des „Boemo“ zählte zu den künstlerisch wichtigsten in Mozarts Leben. Neben Johann Christian Bach und Joseph Haydn war er zweifellos der Komponist, der ihm stilistisch und persönlich am nächsten stand. Vieles bei Myslivecek „klingt wie Mozart“, und zwar so täuschend ähnlich, dass man einzelne seiner Arien in der Tat Mozart zugeschrieben hat.
Seine sechs Streichquintette in der Besetzung mit zwei Bratschen sind um 1773 in Italien entstanden und in zwei italienischen Handschriften überliefert. In der gleichsam blühenden Melodik ihrer Themen, dem ausgereiften Quintettsatz mit höchst lebendig rhythmisierten Mittelstimmen, im quasi selbstverständlichen Fluss der Harmonie und der Eleganz der formalen Übergänge gleichen sie Mozarts Salzburger Divertimenti aus der gleichen Zeit. Dabei darf man nicht vergessen, dass beide – Mozart und Myslivecek – die Kunst des „singenden Allegro“ und des „Andante cantabile“ von Italienern gelernt hatten. In der Synthese aus dem „gründlichen Satz“ der Deutschen, dem „Musikantentum“ böhmisch-österreichischer Provenienz und der Gesanglichkeit der Italiener kann man die dreifache Wurzel ihres Stils sehen.