Notturno H-Dur | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Antonin Dvorak

Notturno H-Dur

Notturno H-Dur

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 3474

Satzbezeichnungen

(Andante religioso)

Erläuterungen

2004
ANTONIN DVORAK
Notturno H-Dur

Nicht nur große Musikstücke haben oft eine lange Geschichte. Auch manches kurze Intermezzo gibt den Musikhistorikern Rätsel auf und lässt sich bis zu seinen Ursprüngen nur durch minutiöses Quellenstudium zurückverfolgen. Ein solches ist das Notturno oder „Nokturno“ in H-Dur, Opus 40, von Antonin Dvorak.

Als der Komponist dieses Stücklein unter jenem etwas eigenartigen Titel mit „k“ 1883 im Druck erscheinen ließ, hatte es bereits eine lange Metamorphose durchlaufen. In der gedruckten Fassung handelt es sich um einen langsamen Satz für Violine und Klavier, ein Salonstück, das rasch populär wurde. Gleichzeitig kannte man diese Musik damals schon als Notturno für Streichorchester, ebenfalls 1883 gedruckt. Keine dieser Fassungen ist die Originale. Ursprünglich handelt es sich um das Andante religioso aus Dvoraks frühem e-Moll-Streichquartett. In der experimentellen Anlage dieses Stücks – einem klassischen Beispiel für Vielsätzigkeit in der Einsätzigkeit mit vier ineinander übergehenden Sätzen – fungierte das Stück als langsamer Abschnitt. Das Formexperiment dieses Quartetts hat Dvorak nicht wiederholt, aber er hat jenes Andante religioso aus dem Zusammenhang herausgelöst, um es anderweitig wiederzuverwenden. Dies geschah zunächst im Streichquintett G-Dur, op. 77, aus dem Jahre 1875. Mit einer zusätzlichen Kontrabass-Stimme und einem neuen Schluss versehen fungierte das ehemalige Andante religioso nun als zweiter langsamer Satz in der fünfsätzigen Urfassung des Quintetts. Vor der Drucklegung dieses Werkes entfernte Dvorak den eingelegten Satz jedoch wieder, wodurch er nach wie vor gleichsam herrenlos in seinem ?uvre umhertrieb. Erst mit der doppelten Neufassung als allein stehender langsamer Satz für Streichorchester bzw. Violine und Klavier fand dann das ehemalige Andante religioso seinen Platz im Schaffen des Meisters.
In unserem Konzert erklingt die Urfassung aus dem e-Moll-Streichquartett, allerdings mit einer von den späteren Fassungen entlehnten Schlusswendung. Der weich schwingende Zwölf-Achtel-Takt verbindet sich mit dem wiegenden Klanggrund der Begleitstimmen und der weit ausholenden Geste der Melodie zu einem hoch romantischen Intermezzo, dessen tränenseliger Höhepunkt am Ende erreicht wird.