Nachtstücke 1993 (Sechs Sätze ohne Bezeichnungen)
Werkverzeichnisnummer: 3433
2004
FRIEDRICH CERHA
Nachtstücke (1993)
Friedrich Cerha, Kurt Schwertsiks Mitstreiter im Ensemble die reihe, ist der bekannteste Repräsentant der Wiener Gegenwartsmusik. Es war nicht zuletzt seine spektakuläre Vollendung von Alban Bergs Oper Lulu, die ihn weltweit ins Rampenlicht rückte. Doch auch seine sonstigen Werke haben – unter suggestiven Titeln – Eingang ins Repertoire gefunden, durchaus nicht nur in das der Spezialensembles für Neue Musik.
Im Gegensatz zu seinem Hornistenfreund Schwertsik begann Cerha seinen Lebensweg als Geiger. Den Klangvaleurs der Streicher hat er stets besondere Aufmerksamkeit geschenkt, so auch in den Nachtstücken für die seltene Quartettbesetzung aus zwei Violinen, Viola und Kontrabass. Wie Traumvisionen ziehen die sechs Sätze, 1993 uraufgeführt, am Hörer vorüber; die meisten sind kaum länger als 50 Takte. Jedes Nachtstück lotet eine andere Nuance „nächtlicher“ Erfahrungen aus. Der schnelle Kopfsatz klingt wie der Einbruch eines Alptraums, der sich in düstere Ahnungen verflüchtigt; die beiden langsamen Sätze, Nr. 2 und Nr. 4, wie Beschreibungen von Schlafenden oder auch der nächtlich ruhenden Natur (con sordino).
Nr. 3 hat Scherzocharakter. Es handelt sich um einen „etwas derben“ Tanz im Zweivierteltakt mit der grotesken Klangfarbe des col legno battuto sul ponticello. Wiederholt müssen die Musiker die kurzen Achtel mit geworfenem Bogen spielen und die Sechzehntelketten im Spiccato.
Nr. 5 ist ein Intermezzo im Duktus eines Walzers, wechselweise im Pizzicato oder mit dem Bogen gespielt, eine Art Mahlersches Nachtstück, wie überhaupt der Begriff aus Mahlers 7. Sinfonie entlehnt scheint. Dazu passt das äußerst theatralische Finale, das „zornig“ gespielt werden soll und in wildem Sechsachtel-Sturm auf den Schluss im vierfachen Forte zusteuert.