Sonate Nr. 3 C-Dur, WV 445/3
Werkverzeichnisnummer: 3403
2004
G. CHR. WAGENSEIL
Quartett
Das erste Stück des Programms führt uns ins Wien der Erzherzogin und Königin Maria Theresia – gemeinhin „Kaiserin“ genannt -, eines der Kitsch-Kapitel in unseren Geschichtsbüchern. Die Familienkaiserin, so unnahbar und unwandelbar wie ihre Kollegin Elisabeth II. von England heute, suggeriert das Wien des Rosenkavaliers, der gepuderten Perücken und der raffinierten Rokoko-Interieurs. Dabei entpuppte sich die Tochter Karls VI., als sie 1740 ohne jede politische Vorbildung den Thron ihres Vaters gegen eine Welt von Angreifern verteidigen musste, als Kämpfernatur. Sie rettete Österreich, verfolgte mit unnachgiebigem Hass König Friedrich II. von Preußen, um ihm Schlesien wieder abzujagen, und führte nach dem Siebenjährigen Krieg aufgeklärte Reformen in ihren Ländern durch.
Auch musikalisch war sie eine temperamentvolle Frau. Bestens ausgebildet und mit einer schönen Sopranstimme begabt, liebte sie es, auf der Bühne zu stehen und die Arien ihres Gesangslehrers Hasse zu singen. Für ihre Kinder engagierte sie Cembalolehrer von höchstem Format, die freilich dem neuen Gusto des Rokokos frönten.
Der Bekannteste unter diesen Komponisten der „Ersten Wiener Schule“, wie man die Musikergeneration der theresianischen Zeit auch nennt, war Georg Christoph Wagenseil. Zugleich ist er der am meisten unterschätzte. Der Wiener Beamtensohn wird gerne zum Klavierlehrer der Erzherzoginnen verniedlicht, obwohl dieser Posten wie angedeutet zum Establishment am Wiener Hof gehörte. Wagenseil begann seine Karriere jedoch nicht mit Klavierstunden, sondern im Genre der monumentalen Kirchenmusik als Lieblingsschüler von Johann Joseph Fux. Kaum war Maria Theresia an der Macht, wechselte er mit wehenden Fahnen ins Lager des modernen melodischen Stils hinüber und begann, Opern und Oratorien im neusten Geschmack zu schreiben. Selbst der Hofdichter Pietro Metastasio musste vor den wundervollen Melodien des „Deutschen“ Wagenseil die Waffen seiner italienischen Vorurteile strecken. In der Tat enthalten Wagenseils Wiener Oratorien und Opern der 1750er Jahre einige der schönsten klassischen Arien vor Mozart, Stücke, die eine originäre melodische Begabung und eine wundervoll natürliche Harmonie offenbaren.
In der Kammermusik ging Wagenseil mitunter eigenwillige Wege. So hat er Quartette für vier Celli geschrieben, die sich unschwer auf Fagotte übertragen lassen.