“Tota pulchra es” (Motette)
Werkverzeichnisnummer: 3331
2004
FRÜHBAROCK
Andrea und Giovanni Gabrieli, die beiden berühmten Organisten an San Marco, der Markuskapellmeister Adrian Willaert und der Organist der Kirche Sant’Elena, Adriano Banchieri, gehören zu den bekanntesten Namen der venezianischen Musikgeschichte vor Monteverdi. Außer Willaert, der gleichsam den Höhepunkt der Renaissance in Venedig bezeichnet und von dem wir die Hohelied-Motette Tota pulchra es hören, muss man die genannten Komponisten bereits dem Frühbarock zuordnen, jener Epoche, in der sich der Wechsel zur Sonaten- und Toccatenkunst des Barock vollzog.
Banchieri etwa spezialisierte sich auf die Fantasia, die neue Art des Orgelspiels im “fantastischen Stil”, in dem freie Passagen, Akkordbrechungen und kontrapunktische Elemente einander abwechselten. Bei Banchieri ist es freilich noch die kontrapunktische Faktur, die in der Gattung dominiert.
Mit Onkel und Neffe Gabrieli hielt die Canzona in Venedig ihren triumphalen Einzug. Ihr Name und ihr Rhythmus leiteten sich ursprünglich aus der Chanson der Renaissance in Frankreich ab, worauf die hier gespielten beiden Canzonen der Gabrieli-Familie hinweisen. Zuerst erklingt das französische, ursprünglich gesungene Original, die Chanson Frais et gaillard von Clemens non Papa. Danach spielen die Musikerinnen zwei unterschiedliche Bearbeitungen dieser Chanson als Orgelcanzona vom älteren Andrea und vom jüngeren Giovanni Gabrieli, der in Venedig der Lehrer von Heinrich Schütz wurde.
Um diese Musik zu goutieren, versetzen wir uns am besten im Geiste unter die dunkel-leuchtenden Goldkuppeln des Markusdoms, in jenen weihevollen heiligen Raum, für den die Gabrieli ihre Orgelwerke und mehrchörigen Canzonen schrieben.