„3 Contrapunti sopra“
Werkverzeichnisnummer: 3325
La Spagna
2004:
RENAISSANCE IN VENEDIG
Ein Jahrhundert vor Merula entstanden die Canzonen, Lieder und Motetten der venezianischen Renaissance. Geläufig sind uns die Gemälde dieser Epoche: die Madonnen eines Giovanni Bellini, die großen Sakralwerke, Porträts und idyllischen Antiken von Giorgione und Tizian. Von ihren Musikerkollegen kennen wir mitunter kaum noch die Namen, denn im Gegensatz zur Leinwand lag das Notenpapier damals noch fest in den Händen von Künstlern aus Frankreich und Flandern, die in Italien auch sonst als Sänger und Komponisten den Ton angaben. Als 1541 am ehrwürdigen Markusdom zu Venedig, eigentlich der Palastkapelle des Dogen, die Stelle eines zweiten Organisten neu zu besetzen war, entschieden sich die Verantwortlichen fast einmütig für den Flamen Jakob Buus aus Gent. Da die Venezianer seinen Namen nicht aussprechen konnten, nannten sie ihn lieber Giachetto Fiamengo. In rascher Folge publizierte er 1547-1549 mehrere Bücher mit Ricercari für Orgel. Bald war er weit über Venedig hinaus bekannt, so dass ihn Kaiser Ferdinand I. nach Wien einlud. Von dem dafür beantragten Urlaub ist er nie mehr nach Venedig zurückgekehrt, denn der Kaiser behielt ihn als Hoforganisten in Wien, wo Buus 1565 gestorben ist. Wir hören sein sechstes Ricercar zu vier Stimmen, ein Stück im typischen fugierten Kontrapunkt der Epoche.
Auch Ivo de Vento gehörte zu den zahllosen Flamen, die im Venedig der Renaissance studierten und reüssierten. Als junger Organist aus Flandern war er an den Münchner Hof gekommen, wo ihm der bayerische Herzog einen Studienaufenthalt in Venedig finanzierte. Nach der Rückkehr aus der Lagunenstadt wurde de Vento in München wie ein waschechter Italiener behandelt und für den Posten des dritten Hoforganisten engagiert. Im Schatten von Orlando di Lasso schuf er dort seine Neuen Teutschen Lieder zu vier bis sechs Stimmen, die in zahlreichen Bänden um 1570 erschienen. Wir hören daraus drei sehr unterschiedliche Lieder, eines davon sogar in gesungener Version:ein Fastnachtslied, ein geistliches Pfingstlied und das Lob des Weines, das in die populäre Chorliteratur Eingang fand.
Im Gegensatz zu Buus oder de Vento war Costanzo Festa Sänger, und er war Italiener. Der gebürtige Piemontese gehörte zu den ersten italienischen Sängern am päpstlichen Hof in Rom, die die Phalanx der Franko-Flamen durchbrachen. Der Medici-Papst Leo X. scheint sein besonderer Gönner gewesen zu sein, und noch in den 1530 und 1540er Jahren galt Festa als der bedeutendste Komponist in den Reihen der päpstlichen Kapelle. Man kann ihn ohne Übertreibung als Bindeglied zwischen Josquin und Palestrina bezeichnen. Mit beiden fast gleichwertig ist seine Kunst des Kontrapunkts, die sich in den hier gespielten drei Kontrapunkten über La Spagna bekundet. Wie so viele Musik dieser Epoche wurden auch Festas Madrigale, Motetten, Messen und Contrappunti in Venedig gedruckt.