Sonate Es-Dur für Klavier , op. 27,1
Werkverzeichnisnummer: 3318
1. Andante – Allegro molto
2. Adagio con espressione
3. Allegro vivace
2018:
„Ich bin mit meinen bisherigen Arbeiten nicht zufrieden. Von nun an will ich einen anderen Weg beschreiten.“ Dieser berühmte Satz Beethovens aus dem Jahre 1801 fand seinen unmittelbaren Niederschlag in den beiden Klaviersonaten des Opus 27. In ihnen manifestiert sich ein neuer Anspruch an die Gattung. Sie sollte nunmehr Manifestation ungehemmter Leidenschaften sein, nicht mehr nur „tönend bewegte Form“. Dabei machte es Beethoven seinen Deutern in der Es-Dur-Sonate ungleich schwerer als in der berühmten cis-Moll-Sonate.
Kaum eine seiner Klaviersonaten hat unter dem Vergleich mit einem Schwesterwerk so gelitten wie diese Es-Dur-Sonate, Opus 27 Nr. 1. Bis heute steht sie im Schatten der Nr. 2 dieses Opus, der so genannten „Mondscheinsonate“, die in ihrer eindeutigen Leidenschaftlichkeit die eher verborgenen Schönheiten des Schwesterwerks verdunkelte. Wie die cis-Moll-Sonate nannte Beethoven auch dieses Stück im Erstdruck Sonata quasi una fantasia, da er sich vom üblichen Sonatenschema löste und mit einer neuartigen Satzfolge experimentierte: Auf das einleitende Andante folgt als Mittelsatz ein gespenstisches c-Moll-Scherzo, dann Rondofinale mit langsamer Einleitung.
„Aus wohlbegreiflichen Gründen“ sei das Werk von vielen Kritikern nicht verstanden worden, meinte Hugo Riemann in seiner Überarbeitung der Beethoven-Biographie von Thayer:
„Gleich der erste Satz zeigt wieder den Rhythmiker Beethoven auf neuen Pfaden. Gewöhnlich wird das Alla-Breve-Zeichen übersehen und der Satz langsamer gespielt, als er gemeint ist; das ist verhängnisvoll, da die rhythmischen Verhältnisse dann unfehlbar falsch gehört werden …
Der zweite Satz, Allegro molto in c-Moll im Dreivierteltakt, stellt noch viel höhere Anforderungen an das rhythmische Auffassungsvermögen als der erste. Er huscht zunächst im Unisono beider Hände einher, das aber fast unmerklich in Akkordbrechungen in Gegenbewegung übergeht, und steigert sich in unheimlichem Wechsel der Oktavlagen aus gleitendem Piano zu hart gestoßenem Forte …
Den Schluss der Sonate bildet die unlösliche Verbindung eines wunderschönen Adagio As-Dur von nur 24 Takten und eines durchweg nur zweistimmig gesetzten Rondo (Allegro vivace) von zuversichtlicher, zum Teil geradezu jubelnder Stimmung, nach welchem das Adagio verkürzt in Es-Dur wiederkehrt und eine dem Rondo entwachsene Presto-Coda von wenigen Takten abschließt.“
Übrigens hat Beethoven diese Sonate nicht – wie ihr Schwesterwerk – der damals erst siebzehnjährigen Gräfin Giulietta Guicciardi gewidmet, seiner Klavierschülerin, sondern der Fürstin Josephine von Liechtenstein, geborene Fürstenberg.
2004:
Beethovens Klaviersonate, op. 27,1, ist das wenig bekannte Gegenstück zu seiner Mondscheinsonate. Für beide Sonaten, die er 1801 vollendete, wählte er den Titel Sonata quasi una fantasia, womit er auf die freien Fantasien anspielte, wie sie Pianisten damals (wie die Jazzer heute) gerne und oft im Konzert improvisierten. Die vier Sätze der Es-Dur-Sonate wirken wie vier Abschnitte einer solchen Musik aus dem Augenblick: langsame Einleitung, virtuoser Einschub, neuerlicher langsamer Teil und schnelles Finale.