Quintett für Flöte, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott (1965/57)
Werkverzeichnisnummer: 3294
1. Adagio – Allegro molto
2. Sostenuto – Presto – Andante tranquillo
3. Moderato
4. Allegro
2004
HARALD GENZMER
Bläserquintett (1956/57)
Am 9. Februar beging man in München einen kuriosen Geburtstag: den 95. von Harald Genzmer. Um den Zeitzeugen fast des ganzen 20. Jahrhunderts ist es im 21. still geworden. Weit zurück liegen jene Zeiten der Bundesrepublik in den Fünfzigern, als Walter Georgii dem Komponisten bescheinigte, er sei „über den Verdacht erhaben, zu den Reaktionären zu zählen“. Otto Schumann schrieb damals über den „Hindemith-Schüler Genzmer“, seine Musik verrate stets die „handwerksmeisterliche Schulung durch den Lehrer“. Er habe jedoch „längst seinen eigenen Weg gefunden, einen Weg, den ihm seine still-beschauliche Natur vorschreibt. Viele Gebiete der Musik … hat er mit Gebrauchsmusik bereichert; wobei unter Gebrauchsmusik eine Musik von Range zu verstehen ist, deren der Spieler von heute bedarf.“ Ob auch nach der Jahrtausenwendie Spieler immer noch solcher Gebrauchsmusik bedürfen, sei dahingestellt. Sie bleibt ein Zeit-Dokument für die konservative Fraktion in der bundesdeutschen Nachkriegsmusik.
In Münchner Kategorien gesprochen war Genzmer ein „Zug’reister“ – nicht aus dem Süden wie der Südtiroler Thuille, sondern aus dem hohen Norden, aus Bremen. Von dort verschlug es ihn vor dem Zweiten Weltkrieg zunächst nach Berlin und Breslau, nach dem Krieg nach Freiburg und schließlich nach München, wo er das zweite halbe Jahrhundert seines Lebens verbrachte. Paul Hindemith war der Leitstern des jungen Genzmer. 1928-34 hat er bei ihm an der Berliner Musikhochschule studiert und Pädagogik wie Stilmaximen seines Lehrers verinnerlicht. Nach einem Abstecher in die Oper (1934-37 war er Studienleiter der Breslauer Oper) wurde Genzmer selbst Pädagoge: an der Berliner Volksmusikschule unterrichtete er 1938-45 vorwiegend Laien. In der Stunde Null gehörte er zu den Gründervätern des deutschen Musiklebens: 1946 Professor an der neu gegründeten Freiburger Musikhochschule, ab 1957 dann in München. An beiden Instituten hat er namhafte Schüler unterrichtet.
Auch Genzmers Schaffen bewegt sich in Hindemithschen Bahnen. Er schrieb Solokonzerte und Sonaten für zahlreiche Orchesterinstrumente vom Trautonium bis zum Schlagzeug. Die Kammermusik ist zwischen Nonett und Streichquartett vielfältig aufgefächert.
Das Bläserquintett gehört nach Hindemiths Vorbild natürlich auch zum Kanon, wobei sich Genzmer für eine traditionell viersätzige Form entschied. Sein Quintett von 1956/57, dem Bläserquintett der Frankfurter Oper gewidmet, beginnt mit einer langsamen Einleitung, die in ein Allegro molto mündet und vor dessen Reprise noch einmal wiederkehrt. Die motivische Beziehung zwischen Einleitung und Hauptsatz ist lose, im Allegro dominieren leicht penetrante Staccato-Achtel, die auf neobarocke „Motorik“ verweisen. Der langsame Satz bemüht denn auch den Rhythmus der barocken Sarabande, in die ein aufgescheuchtes Presto eingelegt ist, bevor der Satz Tranquillo schließt.
Ganz der Tradition gemäß folgen ein Scherzo, hier in moderatem Tempo und im 5/8-Takt, und ein Allegro-Finale, dessen Rhythmen an diverse Barocktänze gemahnt. „Spielmusik“ ist der treffende Ausdruck für dieses Werk.