Sonate Es-Dur für Violine und Klavier, op. 18
Werkverzeichnisnummer: 3267
1. Allegro, ma non troppo
2. Improvisation. Andante cantabile
3. Finale. Andante – Allegro
Mit seiner einzigen Violinsonate gelang dem 23-jährigen Richard Strauss ein Geniestreich – wie in so manch anderem Werk aus seiner Jugend. Es war die Talentprobe eines kraft strotzenden jungen Genies, das sich 1887 von München aus anschickte, seiner Generation den Weg in die sinfonische Zukunft zu weisen. Zwischen den ersten Versuchen in diese Richtung, der Suite Aus Italien und der sinfonischen Dichtung Don Juan, schrieb Strauss sein letztes Kammermusikwerk mit Opuszahl. Es wurde “die” deutsche Violinsonate des Fin de Siècle, ein “funkelnd geistreiches Stück” (W. Altmann), dessen Virtuosität und Farbigkeit alle Grenzen sprengt, die sich etwa ein Johannes Brahms in seinen Violinsonaten selbst gesetzt hatte.
Der englische Kammermusikmäzen Walter Wilson Cobbett nannte die Sonate “a riot of musical colour”, einen Aufruhr der musikalischen Farbe. Fritz Schuh deutete sie als Werk im Vorhof der Sinfonik: “In der Freiheit der chromatischen Modulationen und der zuweilen orchestralen Attitüde distanziert sich die Violinsonate von den vorausgegangenen Kammermusikwerken. Sie weist eher auf Kommendes voraus – das Hauptthema des Finale sogar direkt auf den stürmischen Beginn des ‘Don Juan’.”
Der erste Satz ist ein Sonatenallegro von breitesten Dimensionen, diametral entgegengesetzt der schlichten Knappheit in den Kopfsätzen der Brahmssonaten. Statt je einem Haupt- und Seitenthema schrieb Strauss gleich deren zwei. Dem auf 20 Takte ausgedehnten ersten Thema in Es im Vierertakt – mit seiner Triolen-Arabeske und der drängenden Steigerung ein typischer Strauss – folgt sofort ein lyrischer Nebengedanke mit absteigender Legatolinie. Das Kopfmotiv des Hauptthemas tritt danach wieder in den Vordergrund, woran sich ein zweiter Nebengedanke anschließt, ein c-Moll-Gesang der Violine im Dreiertakt. Dieser Appassionato-Walzer mündet nach virtuosen Passagen in das eigentliche zweite Thema, ein strahlendes Dreiklangsthema in Dur, wiederum im Vierertakt und in der hohen Violinlage. Metrisch und melodisch sind damit mehrere Ebenen eröffnet, die sich im weiteren Satzverlauf permanent durchdringen bzw. auflösen. Die Motive der vier Themen – Triolenarabeske, absteigende Legatolinie, Appassionato-Walzer und Dur-Gesang – werden wie in einer sinfonischen Dichtung übereinandergeschichtet und kombiniert. Dieses dichte Motivnetz gipfelt in der Coda, wo alle vier Themen unmittelbar nacheinander ihre Apotheose erfahren.
Den Titel Improvisation löst der langsame Satz durch seine wie aus dem Augenblick geborenen Themen ein: zwei “Lieder ohne Worte” für Violine mit Klavier im Hautpteil, gefolgt von einem leidenschaftlichen Mittelteil mit improvisatorischen Skalen des Klaviers und con sordino-Arabesken der Geige. Ludwig Finscher nannte diesen Satz “geradezu zerstäubend” in seinen Klängen und wies darauf hin, dass er um 1900 als “Improvisation aus Opus 18” ein beliebtes Salonstück war.
Das Finale ist der effektvollste Satz der Sonate. Was in der Klaviereinleitung in es-Moll noch düster-geheimnisvoll anklingt, entpuppt sich im Allegro als ganz diesseitige Es-Dur-Fanfare des Klaviers, die die Welt des Octavian im Rosenkavalier und des Don Juan vorwegzunehmen scheint. Die Violine antwortet darauf mit Terzbindungen, die eine Parforcejagd technischer Effekte eröffnen. Auch das ausdrucksvolle zweite Thema der Violine über rauschenden Klavierakkorden mündet in virtuose Dreiklangsbrechungen. Mitten in der Durchführung feiert ein tänzerisches Scherzando-Thema fröhliche Urständ’, um sich am Ende unversehens in die Coda eines berauschenden Finales zu verwandeln.