Violinsonate d-Moll, op. 1 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Ludwig (Louis) Thuille

Violinsonate d-Moll, op. 1

Sonate d-Moll für Violine und Klavier, op.1

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 3265

Satzbezeichnungen

1. Allegro risoluto

2. Scherzo. Allegro molto

3. Adagio cantabile

4. Finale. Allegro di molto

Erläuterungen

2004
Für Herbert Rosendorfer, den Münchener Staatsanwalt und Autor der Briefe in die chinesische Vergangenheit, hat den Komponisten Ludwig Thuille ein ungerechtes Schicksal ereilt. Mit vielen anderen Talenten, „die entweder nicht genug Kraft oder nicht genug Glück (oder keines von beiden) gehabt haben“, teile er das Schicksal, als „Kleinmeister“ eingestuft zu werden, als einer von jenen „Eklektizisten…, von denen, wenn der Himmel es gut mit ihnen meinte, vielleicht ein Werk im Repertoire überlebt, und die, wenn der Himmel es weniger gut meint, als Lexikon-Leichen von der Scheibe des Nachruhms geschleudert werden.“ In der Tat: Ludwig Thuille ist heute eine musikhistorische „Lexikon-Leiche“. Vergessen seine großen Opern Theuerdank, Lobetanz und Gugeline, letztere immerhin 1900 zu Mainz gedruckt. Vergessen auch die 78 Lieder, seine vier großen symphonischen Werke und die Kammermusik. Nur zwei Opera hielten sein Andenken in Fachkreisen wach: die gemeinsam mit Rudolf Louis herausgegebene Harmonielehre, der sogenannte „Louis-Thuille“, und das Sextett, op. 6, für Klavier und Bläser, das ab und an im Konzertsaal zu hören ist, auch bei Villa Musica.

Mit der d-Moll-Violinsonate stellen Oliver Triendl und Ursula Berg nun Thuilles Opus 1 zur Diskussion. Es war im unübersehbaren Bestand wertvoller Violinsonaten des 19. Jahrhunderts von vornherein dazu verurteilt, „von der Scheibe des Nachruhms geschleudert zu werden“, obwohl die Sonate ein fast ebenso eindrucksvolles Zeugnis früher Reife ist wie die Violinsonate von Strauss. Beide Werke entführen uns in die aufregenden Münchner Jugendjahre der beiden Komponisten, die die Busenfreunde Strauss und Thuille Seite an Seite verbrachten.

In baiuvarischem Überschwang nannte Strauss den drei Jahre älteren Thuille seinen „liebsten, besten, schönsten, herrlichsten Ludwig“, und die enge Freundschaft schlug sich in gegenseitigen Widmungen früher Werke nieder. Beide jungen Männer schickten sich damals an, sich aus dem Schatten ihrer Lehrer um Reinberger zu lösen und selbst schulbildend zu wirken – Strauss sehr bald auf nationalem und internationalem Parkett, Thuille daheim in der bayerischen Metropole als späteres Haupt der so genannten Münchner Schule. Es war Ironie der Geschichte, dass dieser scheinbar so erzbayerisch agierende Meister ein Östtereicher war. Er stammte aus Bozen im damals habsburgischen Südtirol, wurde im großen Barockkloster Kremsmünster musikalisch erzogen und kam dann erst nach München – mit reichlich Bruckner im Kopf, den ihm sein Münchner Professor Rheinberger rasch mit klassischen Formbegriffen austrieb.

Das Ergebnis waren klassizistisch ebenmäßig gebaute Werke wie die Violinsonate, op. 1. Sie ist typisch für Thuilles erste, von Mendelssohn und Schumann geprägte Stilphase, die gleichwohl im Zuschnitt der Sätze dem spätromantischen Umfeld sich anpasste.