Streichquintett A-Dur, op. 39 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Alexander Glasunow

Streichquintett A-Dur, op. 39

Quintett A-Dur für zwei Violinen, Viola und zwei Violoncelli, op. 39

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 3263

Satzbezeichnungen

1. Allegro

2. Scherzo. Allegro – Trio. Andante sostenuto

3. Andante

4. Allegro moderato

Erläuterungen

2003
ALEXANDER GLASUNOW
Streichquintett A-Dur, op. 39

“Alles bei Glasunow ist so elegant gemacht, alles klingt so hell und saftig, alle Farben sind so satt und kräftig.” Mit diesen Worten verteidigte der russische Musikforscher V. Karatygin Alexander Glasunow gegen seine Kritiker, die ihm Mangel an Persönlichkeit und schöpferischer Eigenart vorwarfen. Katygin sah “unter der Hülle erstaunlicher Schönheiten und reiner Architektonik eine Schicht kontrapunktischer Gebilde, ein kompaktes Massiv an Technik”.

Schon im frühen Streichquintett des 27jährigen kann man diese Eigenarten ausmachen. Glasunow, der zu den frühreifen Genies der Musikgeschichte zählt, war im Entstehungsjahr des Quintetts 1892 schon seit drei Jahren Professor für Instrumentation am St. Petersburger Konservatorium. Auf diesem Lehrstuhl sollte er später noch den jungen Schostakowitsch unterrichten, der in seinen Memoiren ein schonungslos kantiges Bild seines gestrengen Lehrers zeichnete. 1892 stand Glasunow noch am Anfang dieser pädagogischen Karriere, die ihn zum wichtigsten Kompositionslehrer der ersten Generation der russischen Moderne machte.

Als Komponist gehörte er um 1890 zu den großen Talenten des St. Petersburger Kreises, wie kurze Zeit später Rachmaninoff. Im Falle Glasunows hielten gleichsam drei Genien an der Wiege des jungen Genies Wache: Rimsky-Korsakoff war sein Lehrer, der Industrielle und Kammermusik-Fanatiker Beljaev sein Mäzen, Tschaikowsky sein Mentor. Jeder der drei hat in Glasunows Streichquintett seine Spuren hinterlassen.

Für Beljaevs freitägliche Kammermusikabende wurde das Werk geschrieben. Der Umstand, dass der Mäzen selbst die Viola spielte, schlägt sich in den Bratschensoli des Quintetts nieder. Für die Quintettbesetzung wählte Glasunow die Variante mit zwei Celli statt mit zwei Bratschen. Tschaikowskys Streichsextett Souvenir de Florence hat ihn dazu inspiriert, das ja nur zwei Jahre vor seinem Quintett entstand. Auch dort bilden die beiden Celli wesentliche Stützen des Satzes. Tschaikowskys noble Klassizität war es auch, die Glasunow half, im Quintett die allzu national-russischen Ambitionen seiner ersten Werke zu überwinden. Der 27jährige versöhnte hier den kernig-nationalen Stil seines Lehrers Rimsky-Korsakoff mit der weltläufigen Eleganz Tschaikowskys.
Das Quintett besteht aus vier Sätzen, von denen der Allegro-Kopfsatz der komplexeste ist. In einer sehr freien Variante der klassischen Sonatenform hat Glasunow hier fast ununterbrochen Motive aus dem Hauptthema transformiert, einer dolce zu spielenden, über zwölf Takte gedehnten Melodie der Bratsche. Ihr lyrisch-singender Duktus beherrscht zunächst den Satz, verkehrt sich jedoch im Lauf der Entwicklung in dramatischere Episoden.

Das folgende Scherzo ist ein Pizzicato-Klangstück über ein volkstümlich-russisches Tanzthema, in dem sich ständig Triolen und Duolen abwechseln. Im Trio wird das Tempo auf ein Andante sostenuto verlangsamt, der ausgelassene Tanzcharakter durch eine melancholische g-Moll-Melodie verdrängt, die den ersten Satz ins Gedächtnis ruft.

Im Andante wird der Einfluss Tschaikowskys deutlich: Die wehmütig singende Melodie des zweiten Cellos erinnert an mehr als ein Vorbild bei letzterem (5. Symphonie), und sie wird in typischer Manier bis zu melodramatischem Konflikt gesteigert. Die Spannung löst sich im quirlig-volkstümlichen Rondofinale, in dem Glasunow ein ganzes Arsenal herrlichster russischer Volksmelodien zitiert und verarbeitet hat.