Rhapsodie Nr. 2 für Violoncello (Violine) und Klavier
Werkverzeichnisnummer: 3260
1. Lassú. Moderato
2. Friss. Allegro moderato
2003 Rhapsodie
Bartok hat zwei Rhapsodien für Violine und Klavier bzw. Orchester geschrieben. Die erste der beiden ist auch in einer Fassung für Violoncello und Klavier überliefert, wobei es sich streng genommen um die Urfassung handelt, denn der Komponist brachte das Werk zunächst in dieser Besetzung mit dem Cellisten Jenö Kerpely am 20. März 1929 in Budapest zur Uraufführung. Erst ein halbes Jahr später spielte Joseph Szigeti in Berlin die seitdem so populär gewordene Geigenfassung. Martin Ostertag und Kalle Randalu benutzen die Urfassung, in deren Klangkolorit die ungarisch-rustikale Seite des Werkes unverstellt zum Ausdruck kommt.
In der Anlage folgt die Rhapsodie dem zweiteiligen Aufbau des Csárdás aus Lassú und Friss. Ersterer ist ein “langsam-pathetischer, sporenklirrend rhythmisierter, kurzer Rundtanz der Männer”, an den sich der Friss als “ausgelassen wirbelnder Paartanz” (H. Lindlar) anschließt. Bartok hat viel von den Rohheit der originalen Tänze bewahrt. Die rustikalen Doppelgriffe seines Lassú kommen im Tenorregister des Cello ebenso markig heraus wie die kantige Kontur des aufsteigenden Themas.
Die Synkopenrhythmen und penetrant wiederholten Akkordgriffe des Friss scheinen um sich selbst zu wirbeln. In beiden Teilen sind die Themen jenen Volksmelodien der Bauemmusik Ungams abgelauscht, die Bartok vor dem Ersten Weltkrieg und zwischen den Kriegen sammelte. Seine 1. Rhapsodie wurde unter dem frischen Eindruck dieses Volkslied-Sammelns geschrieben und hat mit den Salon-Rhapsodien des 19. Jahrhunderts wenig gemein. Während Franz Liszt seine Ungarischen Rhapsodien als “Fragmente zigeunerischer Epen” deutete, weht durch Bartöks Rhapsodien der unparfümierte Geruch der Wirtshäuser.
Noch ein Wort zum Widmungsträger des Werkes: Der Cellist Jenö Kerpely war einer der wichtigsten Streicher in Bartoks Leben. Als er 1909 mit einem anderen, dem Geiger Imre Waldbauer, das nachmals legendäre Waldbauer-Kerpely-Quartett gründete, setzte er – nach mehr als 100 Proben! – die Premiere von Bartoks erstem Quartett auf das Programm des Premierenabends. In den folgenden Jahrzehnten spielten Kerpely und Waldbauer mit ihren Kollegen die Urauff’ührungen dreier weiterer Bartok-Quartette (Nr. 2, 3 und 4) sowie die ungarischen Erstaufführungen von Nr. 5 und Nr. 6. Daneben machten sie das Budapester Publikum mit den Strömungen der Moderne vertraut, was sie auch als Professoren der Budapester Musikakademie an ihre Schüler weitergaben. Das segensreiche Wirken der beiden in der Hauptstadt endete erst mit der sowjetischen Okkupation 1946, die sie zur Emigration in die USA zwang. Mit Fug und Recht kann man Jenö Kerpely als den ungarischen Cellisten der Moderne bezeichnen.
2002
BÉLA BARTÓK
Rhapsodie Nr. 2 (Folk Dances)
Mit der 1929 komponierten und kurz vor seinem Tod 1945 revidierten 2. Rhapsodie setzte Béla Bartók der Folklore seiner Heimat ein Denkmal. Als Volksliedforscher hatte er Jahrzehnte lang in der Puszta den ungarisch-rumänischen Bauerngesang in seiner urverfälschten Form dokumentiert. Als Komponist empfing er von dieser Dokumentation nicht nur wesentliche Impulse für seinen ureigenen Stil, sondern auch Anregungen für Werke, die Volksmelodien gewissermaßen nur arrangieren, wie etwa die Rumänischen Volkstänze oder die Rhapsodien. Der Untertitel der zweiten Rhapsodie Folk Dances macht diesen Zusammenhang deutlich. Die zwei Sätze verkörpern die beiden Teile des traditionellen Csárdás: die lassù, den langsamen Eröffnungsteil, und den schnellen friss, dem der Csárdás seine mitreißende Wirkung verdankt.