Trio Es-Dur, op. 44 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Louise Farrenc

Trio Es-Dur, op. 44

Trio Es-Dur für Klarinette, Fagott (Cello) und Klavier, op. 44

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 3258

Satzbezeichnungen

1. Andante – Allegro moderato

2. Adagio

3. Minuetto. Allegro

4. Finale. Allegro

Erläuterungen

2003
Beginnen wir unseren Paris-Rundgang im alten Gebäude des Conservatoire national de Musique, dem ältesten Konservatorium moderner Machart der Welt und dem vornehmsten Ausbildungsinstitut für Musik, das Frankreich bis heute besitzt. Als Kind der Französischen Revolution war das Conservatoire einer wechselvollen Geschichte ausgesetzt: Napoleon kürzte die Mittel, die Bourbonen wollten es nach der Restauration schließen. Erst 1830 erlangte es mit dem Namen seine volle Würde zurück.

Wenn wir in der Aula des Gebäudes stehen, vernehmen wir vielleicht aus einem der Unterrichtsräume die Stimme einer Dame beim Klavierunterreicht – in Europa um 1850 ein Unikum. Als erstes Institut der Welt berief das Conservatoire 1842 eine Frau auf einen Musiklehrstuhl: es war die virtuose Pianistin und Komponistin Louise Farrenc. Für 30 Jahre wirkte sie als Klavierprofessorin von weitreichendem Einfluss. Ihre 30 Etüden, op. 26, wurden offizielles Klavier-Lehrwerk nicht nur in Paris, sondern auch an den Konservatorien von Brüssel und Bologna, sie hatte namhafte Schülerinnen und fand in den Konzerten des Konservatoriums ein Podium für ihre Kompositionen. Ihre drei Symphonien trugen ihr den Ruf ein, die „bedeutendste Komponistin in der Mitte des 19. Jahrhunderts“ (MGG) zu sein.
Louise stammte aus einer Pariser Bildhauer- und Malerfamilie und fand in dem Flötisten und Musikverleger Aristide Farrenc einen gleichgesinnten Lebenspartner. Er ließ ihre Werke im eigenen Verlag drucken und wirkte mit ihr gemeinsam als Herausgeber einer Serie mit historischer Klaviermusik von Couperin bis Beethoven (Le Trésor des pianistes). Die Qualität der Notendrucke des Verlags Aristide Farrenc entsprach der anerkannten kompositorischen Qualität der Werke seiner Frau. Man pries ihre Stücke „wegen der Klarheit der Konzeption“ (Gazette musicale), der guten Orchestrierung (Berlioz) und der „erhabenen Einfälle“ (Prix Chartier). Schumann meinte, „ein ganz leiser romantischer Duft“ schwebe über ihnen fort.

Seit Ende der 1850er Jahre freilich spielte diese poetische Musik im lauten Pariser Musikleben der Offenbach-Ära keine Rolle mehr. Louise Farrenc verschwand von den Konzertprogrammen, obwohl sie weiterhin komponierte. Während sie ihre schwerkranke Tochter pflegte, schrieb sie um 1855 zwei Klaviertrios mit Bläsern: eines für Flöte, Cello und Klavier (e-Moll, op. 45), das andere für Klarinette, Cello und Klavier (Es-Dur, op. 44). In unserem Programm erklingt das letztere mit Fagott statt Cello, was den Gepflogenheiten des 19. Jahrhunderts insoweit entspricht, als man Kammermusikwerke stets mit Stimmen für alternative Instrumente veröffentlichte.

Reminiszenzen an die Wiener Klassik vermischen sich in dem Trio mit romantischen Zügen. Der erste Satz folgt dem Modell der großen Es-Dur-Sinfonien der Klassiker, indem sich an ein feierliches Adagio ein kantables Allegro anschließt. Mozartisch muten die Themen an, der Satz ist durchsichtig und kantabel. Auf den Anspruch eines Grand Trio im Sinne der Virtuosenzeit deutet die Viersätzigkeit hin: Auf das erste Allegro folgen – ganz wie in einer Sinfonie – ein Adagio, ein Menuett mit Trio und ein Allegro-Finale. Die Integration des Klaviers in das kammermusikalische Geschehen verleiht besonders dem Menuett pittoresken Reiz.