Oktett B-Dur für Bläser, op. 216
Werkverzeichnisnummer: 3235
1. Allegro moderato
2. Scherzo. Vivace
3. Adagio ma non troppo
4. Allegro molto e grazioso
2003
CARL REINECKE
Oktett, op. 216
Bläseroktette zu schreiben, bedeutete im späten 19. Jahrhundert fast automatisch eine Verneigung vor den Bläserserenaden Mozarts und der Wiener Klassik. Wir verdanken diesem “Revival” der klassischen Harmoniemusik nach 1860 einige der schönsten Bläserwerke der Epoche wie etwa die d-Moll-Serenade von Dvorak oder die Petite Symphonie von Gounod. Auch Carl Reinecke hat zu dieser Renaissance 1892 ein Oktett beigesteuert. Statt der in der Klassik üblichen Besetzung mit zwei Oboen als Oberstimmen wählte er die geliebte Flöte mit einer Oboe. Die Duette der beiden Instrumente prägen neben den romantisch-dunklen Horn- und Fagottregistern den Klang.
Im Stil ist das Oktett deutlich klassizistischer als das zehn Jahre später komponierte Sextett. Reinecke erwies hier Mozart so manche Reverenz. Beide Themen des ersten Satzes, Allegro moderato, orientieren sich an Mozarts Klarheit und Gesanglichkeit, ja mitunter scheinen sogar melodische Wendungen des Klassikers auf. Im harmonischen Changieren zwischen Dur und Moll freilich und im sentimental-romantischen Tonfall ist der Satz pure Spätromantik.
Es folgt ein rhythmisch überaus subtiles Scherzo, ein Experiment mit punktierten Rhythmen im Dreiertakt, das an die französische Musik der Zeit gemahnt. Auch das gefühlige Gesangsthema des Trios scheint in pariserischem Ton entworfen zu sein.
Nach den hellen Flöten- und Oboenklängen der ersten beiden Sätze wird der langsame Satz, Adagio ma non troppo, vom sehnsüchtigen Gesang der Klarinette eröffnet. Ihre hochromantische Kantilene wird mit Flötentrillern ornamentiert und in prachtvollen Hörnerklang getaucht. Leider verliert sich der Mittelteil dieses quasi-symphonischen Adagios in unverbindlichen Arabesken.
Das Vertrauen des Komponisten Reinecke in die Wirkung perlender Flötenläufe scheint grenzenlos gewesen zu sein. Das Hauptthema des Oktett-Finales, Allegro molto e grazioso, ist eine einzige Flötenpassage. Freilich sollte man berücksichtigen, dass Reinecke sein Oktett auch in einer Fassung als Klavierduo veröffentlichte. So sind die schier endlosen Flötenläufe dieses Finales nichts anderes als eine Geläufigkeitsübung für die rechte Hand eines Pianisten.
Karl Böhmer