Trio Nr. 1 a-Moll für Violine, Violoncello und Klavier, op. 17
Werkverzeichnisnummer: 3214
1. Allegro
2. Adagio non troppo
3. Rondo. Allegro
2003
PAUL JUON
Klaviertrio Nr. 1 a-Moll, op. 17
Paul Juon gehört zu den heute vergessenen Spätromantikern. 1872 in Moskau geboren, entstammte er einer Familie aus dem schweizerischen Graubünden, die nach Russland ausgewandert war. Deshalb, und weil er 1934 in die Schweiz zurückkehrte, gilt er mit Recht als schweizerischer Komponist. Die wichtigste Station seines Lebens und Schaffens war freilich Berlin.
Von 1906 bis 1934 unterrichtete Juon an der Berliner Musikhochschule Theorie und galt als einer der wichtigsten Musikprofessoren der Metropole. Der Schüler von Arenskij und Tanejew führte in Deutschland den Beinamen „der russische Brahms“, wurde mit diversen Kompositionspreisen bedacht und war ins zeitgenössische Berliner Umfeld vollständig integriert. Mit einem Wort: Juon war ein echter Vertreter der European Fine Arts über nationale und ästhetische Grenzen hinweg.
Mit der Einbindung der Werke Juons in seine Konzertprogramme, überrascht das European Fine Arts Trio sein Publikum und die Musikkritik immer wieder positiv und leistet so einen Beitrag zur Wiederentdeckung des vergessenen Romantikers. Sein Schaffen ist chronologisch zwischen die Strauss-Mahler-Generation und Ravel einzuordnen. In seinen großen Werken – den Violinkonzerten, Serenaden und sinfonischen Musiken – blieb er der Welt der Spätromantik ebenso verhaftet wie in der Kammermusik.
Das erste seiner insgesamt sechs Klaviertrios schrieb Juon als 29jähriger 1901 in Berlin. Claus-Christian Schuster vom Altenberg Trio Wien deutete das Werk in seiner Internet-Enzyklopädie des Klaviertrios als „Höhepunkt und Abschluss der „russischen“ Periode Juons. Vor allem in den Ecksätzen herrscht der Ton des ostslawischen Volksliedes mit all seinen Charakteristika (Quarten- und Quintenmotivik, modale Harmonik usw.) völlig unangefochten.“
Im Allegro-Kopfsatz dominiert das Hauptthema, das in zwei rhythmischen Varianten auftritt. Schon hier ist der slawische Tonfall unüberhörbar, wird doch die Tonart a-Moll im Sinne des Kirchentons bzw. der slawischen Volkslied-Modi gedeutet. Das Seitenthema in G-Dur dagegen gibt sich tänzerisch-verspielt einer Art elegantem Kontrapunkt hin. Auf der Basis dieses Themenkontrasts folgt der Satz schulgerecht den Pfaden der Sonatenform.
Im Adagio non troppo spürt man am deutlichsten Juons Begabung zur theatralischen Inszenierung von Kontrasten – ein Erbe der russischen Schule. Das Liedthema in modal gedeutetem C-Dur wird einem hoch-chromatischen Nebengedanken gegenübergestellt. Der Dualismus der Themen gipfelt in einer Passage von pathetischer Deklamation. „Diese mitunter irritierende Ambivalenz der musikalischen Sprache, in der Schlichtheit und Pathos so eng ineinander verwoben sind, ist ganz typisch für die Epoche und gehört zu jenen Stilmerkmalen, die die Übertragung des Begriffes „Jugendstil“ auf die Musik als gerechtfertigt erscheinen lassen“ (Schuster).
Dem Zeitgeist verpflichtet ist auch das Rondofinale, nicht nur, da es den zu erwartenden Übergang von a-Moll nach A-Dur vollzieht; sein Thema ist auch durch tänzerisch-folkloristische Umdeutung aus dem Hauptthema des ersten Satzes entwickelt, was die zeittypische Vereinheitlichung des Werkes garantiert. „Von den beiden Episoden ist die erste ganz à la Borodin erfunden, während die zweite auf eine walzerselige Apotheose hin angelegt ist, die in der Coda durch widerspenstige Ritornell-Zitate nicht gestört, sondern nur noch gesteigert wird“ (Schuster). Die Proportionen aller drei Sätze zeigen Juon als einen von Brahms beeinflussten Meister der knappen Form, der die ausufernden Monumentalzyklen der Jahrhundertwende geschickt vermied.